Der BGH sieht das Rechtsmittel als statthafte und auch i.Ü. zulässige sofortige Beschwerde an (§ 142 Abs. 7 S. 1 StPO, § 304 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 Nr. 1, § 306 Abs. 1, § 311 Abs. 1 und 2 StPO).

1. Statthaftigkeit

Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde sei gem. der – ihrem Wortlaut nach unmittelbar anwendbaren – Vorschrift des § 142 Abs. 7 S. 1 StPO statthaft. Der Anwendung der in § 144 Abs. 2 S. 2 StPO geregelten Verweisung bedürfe es nicht. Sie gelte auch nach ihrer systematischen Stellung allein für die Entscheidung über die Aufhebung der Bestellung eines zusätzlichen Verteidigers nach § 144 Abs. 2 S. 1 StPO (anders OLG Hamm, Beschl. v. 5. 5. 2020 – III-4 Ws 94/20, StRR 6/202, 3 [Ls.]), das – auch mit Blick auf die Gesetzesmaterialien [s. BT-Drucks 19/13829, 50] – hinsichtlich der Gesetzessystematik von einem gesetzgeberischen Redaktionsversehen ausgegangen ist und § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO über die Verweisung gem. § 144 Abs. 2 Satz 2 StPO angewendet hat; im Ergebnis ebenso BeckOK StPO/Krawczyk, 37. Ed., § 144 Rn 11).

2. Beschwerdeführer

Beschwerdeführer sei der Angeklagte selbst, nicht Rechtsanwalt T. Dies ergebe sich daraus, dass dessen Schriftsatz vom 22.4.2020 über den Antrag auf Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers den Angeklagten als Antragsteller bezeichnet. Da der Schriftsatz über die sofortige Beschwerde ausdrücklich auf den "Antrag des (damaligen) Angeschuldigten" Bezug nehme, sei er dahin auszulegen, dass das Rechtsmittel in seinem Namen und Auftrag eingelegt worden ist. Infolgedessen komme es nicht darauf an, ob Rechtsanwalt T., wenn er Beschwerdeführer wäre, eine Beschwerdebefugnis zustünde (vgl. auch BGH, Beschl. v. 18.8.2020 – StB 25/20, RVGreport 2020, 439 = StRR 2020, Nr. 10 S. 11 f.).

3. Rechtzeitigkeit

Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft ist die sofortige Beschwerde rechtzeitig eingelegt worden. Nach § 35 Abs. 2 StPO hätte der angefochtene Beschluss nämlich förmlich zugestellt werden müssen. Denn es bedürfe der Zustellung der Entscheidung, wenn durch ihre Bekanntmachung eine Frist – wie vorliegend die Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO – in Lauf gesetzt wird. Eine bloße formlose Mitteilung genüge auch dann nicht, wenn sie – anders als hier – nachgewiesen sei (s. LR/Matt, StPO, 26. Aufl., § 311 Rn 7 m.w.N.). Da die Beschwerdefrist somit noch gar nicht zu laufen begonnen habe, habe die sofortige Beschwerde nicht verfristet eingelegt werden können.

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