Nach § 107 Abs. 5 OWiG kann von demjenigen, der die Versendung einer Akte beantragt, eine Auslagenpauschale i.H.v. 12,00 EUR erhoben werden. In der Rspr. etlicher Amtsgerichte ist insoweit anerkannt. dass bei mangelhafter oder unvollständiger Aktenführung die Auslagenpauschale nicht zu erstatten bzw. erst dann fällig wird, wenn Akteneinsicht im Rechtssinne gewährt worden ist (z.B. AG Eutin VRR 2009, 480; AG Soest RVGreport 2017, 158). Zudem hat die Versendung eines Aktenauszugs, d.h. eines Teils der Akte, nicht das Entstehen der Aktenversendungspauschale zur Folge, da diese nur entsteht, wenn das Begehren auf Akteneinsicht vollständig gewährt worden ist (AG Gelnhausen, Beschl. v. 5.3.2018 – 44 OWi 57/17, VRR 4/2018, 3 [Ls.]). In diesem Zusammenhang ist weiterhin anerkannt, dass die Erhebung der Aktenversendungspauschale bei einer elektronisch geführten Akte zwingend voraussetzt, dass der Aktenauszug den von § 110d OWiG a.F. aufgestellten Voraussetzungen genügt und einen zusätzlichen Vermerk betreffend die qualifizierte Signatur des elektronischen Dokuments aufweist (AG Lüdinghausen RVGreport 2015, 398 = AGS 2015, 515 = zfs 2015, 713). Als zwingend wird es insoweit insbesondere angesehen, dass das elektronische Dokument nach § 110b Abs. 2 S. 2 OWiG a.F. den Vermerk enthält, wann und durch wen die Unterschrift übertragen worden ist (AG Eutin, a.a.O.).

Dieser Rspr. stimmt das AG insoweit zu, als dass durch § 110b Abs. 2 S. 2 OWiG a.F. nachträglich die Feststellung ermöglicht werden sollte, wann und durch wen die Urschrift in elektronische Form übertragen worden ist (BeckOK OWiG/Valerius, OWiG § 110b Rn 4). Zweck dieser Rspr. sei es demnach, die Behörden dazu anzuhalten, die Vorgaben zu der Führung einer elektronischen Akte zu beachten. Gerade mit Blick auf den Zweck des § 110b Abs. 2 S. 2 OWiG a.F., der dazu diente die Korrespondenz zwischen Urschrift und Scan – der letztlich Gegenstand des nachfolgenden Verfahrens werden wird – sicherzustellen. Die zu § 110b OWiG a.F. und § 110d OWiG a.F. ergangene Rspr., die die Pflicht zur Zahlung der Gebühr bei mangelhafter oder unvollständiger Aktenführung verneine, sei dem Grunde nach der Novellierung der Normen weiterhin anwendbar (Krenberger/Krumm, 5. Aufl., 2018, OWiG § 110c Rn 15).

Nach Auffassung des AG unterscheidet sich der vorliegende Fall jedoch insoweit von der zuvor zitierten Rspr., als dass weder eine Verfahrensvorschrift verletzt wurde, der eine dem § 110b Abs. 2 S. 2 OWiG a.F. vergleichbare Bedeutung zukomme, noch dass die Aktenausdrucke lückenhaft übersendet worden seien. Auch wenn in Baden-Württemberg noch keine Rechtsgrundlage für die elektronische Führung von Akten erlassen worden sei (AG Bühl, Beschl. v. 31.7.2020 – 1 OWi 41 /20), führe dies – jedenfalls im vorliegenden Fall – nicht zu dem Entfallen der Aktenversendungspauschale. Das OLG Koblenz (Beschl. v. 6.9.2016 – 1 OWi 3 SsRs 93/16) stelle für das Bundesland Rheinland-Pfalz fest, dass die Zentrale Bußgeldstelle die digitale Aktenführung ohne Rechtsgrundlage betreibe, da die nach jetziger Rechtslage gem. § 110a OWiG erforderliche Rechtsverordnung zum damaligen Zeitpunkt noch nicht erlassen gewesen sei. Allerdings stellte das OLG Koblenz (a.a.O.) ebenfalls fest, dass diese Feststellung nicht dazu führe, dass ein Bußgeldbescheid, der seine Grundlage in einer elektronisch geführten Akte habe, und der mit der dortigen EDV-Anlage in Papierform hergestellt worden sei, alleine deshalb unwirksam sei bzw. alleine deshalb nicht Grundlage einer Verurteilung auf Grundlage des OWiG sein könne. Nichts anderes kann nach Auffassung des AG gelten, wenn – wie im vorliegenden Fall – kein Bußgeldbescheid, sondern ein selbstständiger Kostenbescheid seine Grundlage in einer elektronisch geführten Akte finde. Ebenso wie ein derartiger Bußgeldbescheid Grundlage einer bußgeldrechtlichen Ahndung sein könne, könne ein selbstständiger Kostenbescheid Grundlage für die Anforderung der Aktenversendungspauschale sein und führe nicht pauschal zu der Unwirksamkeit bzw. Rechtswidrigkeit des Kostenbescheids.

In Anwendung diese Grundsätze sei maßgeblich für die Abweisung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung, dass die elektronische Akte weder mangelhaft geführt noch unvollständig übermittelt worden sei. Auch von Seiten des Antragstellers würden keine Mängel an der Aktenführung vorgebracht. Insbesondere sei gegen keine Norm verstoßen worden, der eine ähnlich hohe Bedeutung wie § 110b Abs. 2 S. 2 OWiG a.F. zukommen würde, dessen Aufgabe gewesen die Integrität der elektronisch geführten Akte sicherzustellen. Gerügt werde allein das Fehlen der gem. § 110a OWiG erforderlichen Rechtsverordnung. Sofern von Teilen der Rspr. die Anforderung an die elektronische Führung von Akten nun dahingehend verschärft werde, dass eine Aktenverendungspauschale nur gefordert werden können soll, wenn die Akte zulässigerweise, d.h. auf Grundlage einer Rechtsverordnung geführt wird, folge das Gericht dieser Auffassung – aus den zuvor genannten Gründen – nicht (...

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