Wird in einem Verfahren über die elterliche Sorge eine Einigung unter Einbeziehung des Umgangsrecht getroffen, ging die Rspr. bisher davon aus, dass es sich insoweit um einen Fall des sog. Mehrwertvergleichs handele. Seit der Entscheidung des BGH vom 10.7.2019,[1] dürfte diese Auffassung zu überdenken sein. Als erstes Gericht hat das OLG Nürnberg daraus gebührenrechtliche Konsequenzen gezogen.

Der Unterschied zur bisherigen Rspr. mag an folgendem Beispiel verdeutlicht werden:

 

Beispiel

Die Kindesmutter beantragt die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge. Vor Gericht einigen sich die Eltern nach Erörterung dahingehend, dass der Mutter das Sorgerecht übertragen werden soll. Gleichzeitig wird dem Kindesvater ein großzügiges Umgangsrecht eingeräumt und zeitlich festgelegt. Die Einigung wird familiengerichtlich genehmigt. Auszugehen ist von den Regelwerten des § 45 Abs. 1 FamFG i.H.v. jeweils 3.000,00 EUR.

Die bisherige Rspr. ist davon ausgegangen, dass ein sog. Mehrwertvergleich vorliege, wenn in einem Sorgerechtsverfahren auch eine Einigung über den bis dahin nicht anhängigen Umgang getroffen werde. Es wurde dann ein Verfahrenswert für das Sorgerechtsverfahren festgesetzt und ein Vergleichsmehrwert für den nicht anhängigen Umgang.

Ausgehend von den Regelwerten des § 45 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 FamFG wurde in diesen Fällen dann der Verfahrenswert auf 3.000,00 EUR und der Mehrwert des Vergleichs auf weitere 3.000,00 EUR festgesetzt.

Aus dem Wert der elterlichen Sorge wäre danach im Beispiel die volle 1,3-Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV angefallen und aus dem Wert des Umgangs unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 3 RVG die 0,8-Verfahrensdifferenzgebühr der Nr. 3101 Nr. 2 VV. Die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) wäre aus dem Gesamtwert entstanden. Die Einigungsgebühr wäre zu 1,0 (Nr. 1003 VV) aus dem Sorgerecht anzusetzen und unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 3 RVG zu 1,5 (Nr. 1000 VV) aus dem Umgang, da nach dieser Auffassung das Umgangsrecht ja nicht anhängig wäre.

Danach ergäbe sich folgende Abrechnung:

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 261,30 EUR
  (Wert: 3.000,00 EUR)  
2. 0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 Nr. 2 VV 160,80 EUR
  (Wert: 3.000,00 EUR)  
  die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG,  
  nicht mehr als 1,3 aus 6.000,00 EUR  
  (= 460,20 EUR), ist nicht überschritten  
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV 424,80 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)  
4. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV 201,00 EUR
  (Wert: 3.000,00 EUR)  
5. 1,5-Einigungsgebühr, Nrn. 1000 VV 301,50 EUR
  (Wert: 3.000,00 EUR)  
  die Grenze des § 15 Abs. 3 RVG,  
  nicht mehr als 1,5 aus 6.000,00 EUR  
  (= 531,00 EUR), ist nicht überschritten  
6. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
  Zwischensumme 1.369,40 EUR
7. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 260,19 EUR
Gesamt 1.629,59 EUR

Nach Auffassung des OLG Nürnberg ist das Umgangsrecht dadurch anhängig geworden, dass es vor Gericht erörtert und eine Einigung darüber getroffen wurde. Danach wäre das Umgangsrechtverfahren bereits beim Verfahrenswert zu berücksichtigen. Die Werte von Sorge und Umgang wären nach § 33 Abs. 1 FamGKG zusammenzurechnen. Für die Festsetzung eines Mehrwertes bliebe dann kein Raum mehr.

Ausgehend von den Regelwerten des § 45 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 FamFG wäre danach der Verfahrenswert auf 6.000,00 EUR festzusetzen, dafür aber kein Vergleichsmehrwert.

Nach dieser Auffassung wäre im Beispiel aus dem Umgang keine Verfahrensdifferenzgebühr zu berechnen; vielmehr würde insoweit die volle 1,3-Verfahrensgebühr anfallen. Auf der anderen Seite würde dann die Einigung über den Umgang nicht die 1,5-Einigungsgebühr der Nr. 1000 VV auslösen, sondern insgesamt nur die ermäßigte 1,0-Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV.

Danach wäre wie folgt zu rechnen:

 
Praxis-Beispiel
 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV 460,20 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)  
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV 424,80 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)  
3. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV 354,00 EUR
  (Wert: 6.000,00 EUR)  
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
  Zwischensumme 1.259,00 EUR
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 239,21 EUR
Gesamt 1.498,21 EUR

Die Abrechnung nach der Auffassung des OLG Nürnberg ist für den Anwalt etwas ungünstiger. Zwar erhält er im Ergebnis eine geringfügig höhere Verfahrensgebühr. Dafür ist aber die Einigungsgebühr deutlich geringer, weil sie einheitlich nur mit 1,0 anzusetzen ist.

Anders verhält es sich, wenn lediglich eine vorläufige Einigung zum Umgang getroffen wird. In diesem Fall kommt eine Erweiterung des Verfahrensgegenstands nicht in Betracht, da Hauptsache und Eilsache (einstweilige Anordnung) nicht im selben Verfahren verbunden werden können. Hier bleibt es also nach allen Auffassungen bei der Mehrwertabrechnung.[2] Davon geht auch das OLG Nürnberg aus.

 

Beispiel

Der Antragsteller beantragt eine Regelung zur elterlichen Sorge. Im Termin einigen sich die Beteiligten über die elterliche Sorge und treffen eine Einigung über eine vorläufige Regelung zum bisher nicht anhängigen...

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