§ 76 Abs. 1 FamFG; § 115 Abs. 3 ZPO; § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII

Leitsatz

Im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe ist nicht selbst genutztes Grundvermögen (Teileigentum) grundsätzlich auch durch eine vorzunehmende Teilungsversteigerung als einzusetzendes Vermögen zu berücksichtigen. Dafür ist bei der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe eine ausreichend lange Stundung der Zahlung aus dem Vermögen anzuordnen.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.11.2023 – 5 WF 127/23

I. Sachverhalt

Im vorliegenden Verfahren handelt es sich um Stufenverfahren wegen Zugewinnausgleichs. Die Antragstellerin und der Antragsgegner hatten 1999 geheiratet und die Ehe wurde durch Beschl. v. 3.2.2021 rechtskräftig geschieden. Die Antragstellerin hat mit Rechtsanwaltsschreiben v. 20.6.2023 die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (VKH) für einen Stufenantrag wegen Zugewinnausgleich beantragt. Der Antragsgegner hat sich hierzu nicht geäußert. Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind zu 1/2 Miteigentümer einer Eigentumswohnung. Diese bewohnt die Antragstellerin. Weiter sind die Beteiligten zu 1/2 Miteigentümer eines Grundstücks mit einem Einfamilienhaus, das von keinem der beiden Beteiligten bewohnt wird. Die Antragstellerin hat im Schreiben v. 15.3.2022 den Wert mit 120.000,00 EUR und die bestehenden Verbindlichkeiten mit 50.417,00 EUR angegeben. Sie hat dem Antragsgegner angeboten, dessen Miteigentumsanteil und die Verbindlichkeiten gegen eine Ausgleichszahlung i.H.v. 34.791,50 EUR zu übernehmen.

Das Familiengericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von VKH mit Beschl. v. 3.8.2023 abgelehnt, da es ihr zumutbar sei, das Grundstück zu veräußern bzw. zu verwerten. Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 7.8.2023 zugestellt.

Gegen den Beschluss hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde mit Rechtsanwaltsschriftsatz v. 22.8.2023, eingegangen am gleichen Tag beim Familiengericht, eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, dass der Antragsgegner eine freihändige Verwertung abgelehnt habe, eine Teilungsversteigerung sei ihr nicht zumutbar. Eine Beleihung sei angesichts ihrer Einkommensverhältnisse nicht möglich.

Durch Beschl. v. 20.9.2023 hat das FamG der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

Gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, §§ 127, 567 ff. ZPO ist die sofortige Beschwerde zulässig und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache ist diese nur teilweise begründet.

Das OLG Karlsruhe hat der Antragstellerin VKH für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwältin S bewilligt. Die Antragstellerin hat eine Zahlung aus ihrem Vermögen i.H.d. verauslagten Verfahrenskosten zu erbringen, die Verpflichtung wird bis zum 31.12.2024 gestundet. Es bleibt vorbehalten, nach Bezifferung der Zahlungsstufe nochmals über die Höhe der bewilligten VKH zu entscheiden. I.Ü. wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

II. Einzusetzendes Vermögen

Gem. § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 S. 1 1 Hs. ZPO erhält eine Partei – ungeachtet der weiteren Voraussetzungen zur Gewährung von VKH wie der zu bejahenden hinreichenden Erfolgsaussicht des zugrundeliegenden Anspruchs, § 114 Abs. 1 S. 1 2 Hs. ZPO – VKH, wenn sie die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.

Gem. § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 115 Abs. 3 ZPO, § 90 SGB XII hat die bedürftige Partei neben ihrem Einkommen ihr gesamtes zumutbares Vermögen einzusetzen. Im vorliegenden Fall verfügt die Antragstellerin über einen 1/2-Miteigentumsanteil an einer von ihr selbst bewohnten Eigentumswohnung sowie einen 1/2-Miteigentumsanteil an einem weder von ihr noch vom Antragsgegner bewohnten Grundstück mit Einfamilienhaus.

Wie beim Einkommen kommt auch grds. nur das Vermögen der bedürftigen Partei selbst in Betracht (Lissner/Dietrich/Schmidt, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 4. Aufl., 2022, Rn 74). Eine gesetzliche Definition von Vermögen sieht § 115 ZPO nicht vor. Durch den Verweis in Abs. 3 S. 2 auf § 90 SGB XII sind die sozialrechtlichen Vorschriften entsprechend anzuwenden. An die sozialrechtliche Auslegung der Begriffe ist das Familiengericht jedoch nicht zwingend gebunden (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 74). Ein Zugriff auf das gesamte Vermögen wird jedoch nach dessen Verwertbarkeit und der Zumutbarkeit seines Einsatzes bewertet.

1. Selbst bewohnte Eigentumswohnung

Gem. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII soll der bedürftigen Partei die eigene selbst bewohnte Wohnung oder das selbst genutzte Haus erhalten bleiben (Lissner/Dietrich/Schmidt, a.a.O., Rn 82). Maßgebend ist hier der Schutzzweck der Norm, dass der bedürftigen Partei der Mittelpunkt ihres sozialen Lebens erhalten bleiben soll. Unter die Hausgrundstücke fallen daher auch Eigentumswohnungen (Musielak/Voit-ZPO/Fischer, 20. Aufl., 2023, § 115 ZPO Rn 46). Die Antragstellerin bewohnt vorliegend eine Eigentumswohnung, deren Miteigentümerin zu 1/2 sie neben dem Antragsgegner ist. Die Eigentumswohnung fällt vorliegend unter den Schutzzweck des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII. Das Familiengericht und auch ...

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