Die Entscheidung der Einzelrichterin des BGH bedarf einiger Anmerkungen.

1. Zuständigkeit der Einzelrichterin

Die Einzelrichterin hatte auf den Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom 9.8.2021 (zfs 2021, 642 m. Anm. Hansens = AGS 2021, 471 [Hansens]) verwiesen, wonach über einen Antrag gem. § 33 Abs. 1 RVG auf Festsetzung des Gegenstandswertes nach Inkrafttreten des § 1 Abs. 3 RVG auch beim BGH durch den Einzelrichter zu entscheiden ist. Diese Zuständigkeitsregelung war deshalb nicht so eindeutig, weil § 1 Abs. 3 RVG lediglich bestimmt, dass die Vorschriften des RVG über die Erinnerung und die Beschwerde (s. § 33 Abs. 8 S. 1 Hs. 2 RVG) den Regelungen der für das zugrunde liegenden Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vorgehen. Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes (§ 33 Abs. 8 S. 1 Hs. 1 RVG) ist im § 1 Abs. 3 RVG nicht ausdrücklich aufgeführt.

2. Zulässiger Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes

Zu Recht hat die Einzelrichterin des BGH die in § 33 Abs. 1 RVG aufgeführten Voraussetzungen für die Festsetzung des Gegenstandswertes bejaht. Allerdings lag hier nicht der Fall vor, dass es an einem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Streitwert fehlte. Vielmehr war die erste Fallgestaltung gegeben, dass sich die Gebühren in dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen, weil die hier einschlägige Gebührenvorschrift der Nr. 2124 GKG KV eine Festbetragsgebühr i.H.v. 66,00 EUR vorsieht.

3. Gesetzesvorschrift für die Bemessung des Gegenstandswertes

a) § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG: Wert der Hauptsache

Die Einzelrichterin des BGH hat für die Bemessung des Gegenstandwertes im Rechtsbeschwerdeverfahren die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG herangezogen, wonach sich der Gegenstandswert in der Zwangsvollstreckung nach dem Wert bestimmt, den die zu erwirkende Handlung, Duldung oder Unterlassung für den Gläubiger hat. Das war hier schon deshalb problematisch, weil es in dem vor dem Vollstreckungsgericht, dem AG Pforzheim, begonnenen Verfahren nur um die rechtskräftig titulierte Verpflichtung der Schuldnerin auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gegangen ist. Das Verfahren auf Unterlassung und Rechnungslegung und auf Festsetzung eines entsprechenden Zwangsgeldes gegen die Schuldnerin wurde hingegen – teilweise parallel – beim LG Mannheim geführt und war gar nicht Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens vor dem BGH.

Nach Auffassung der Einzelrichterin des BGH ist Ausgangspunkt für die Bemessung des Gegenstandswertes regelmäßig der Wert der Hauptsache, was grds. für die Gebührenbemessung nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG auch zutrifft. Den Beschlussgründen lässt sich jedoch nicht entnehmen, was die Einzelrichterin als Hauptsache angesehen hat. In Betracht kam hier das zunächst vor dem LG Mannheim von der Gläubigerin verfolgte Unterlassungsbegehren. Als Hauptsache kann jedoch auch die Klage der Gläubigerin auf Abgabe der eidessstattlichen Versicherung angesehen werden, was zutreffend sein dürfte. Leider ergibt sich aus den Beschlussgründen nicht, wie hoch der Streitwert in einem der beiden in Betracht kommenden Hauptsacheverfahren ist. Letztlich hat die Einzelrichterin aber nicht auf den – in den Beschlussgrünen nicht genannten – Wert der Hauptsache abgestellt, sondern auf das Interesse der Gläubigerin.

b) § 23 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 2 RVG: billiges Ermessen

Die Einzelrichterin des BGH hat den Gegenstandswert aufgrund einer falschen Rechtsgrundlage bestimmt, weil die von ihr herangezogene Vorschrift des § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG gar nicht einschlägig war. Es ging hier nämlich um die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Rechtsbeschwerdeverfahren. In einem solchen Fall bestimmt sich der Gegenstandswert jedoch nach § 23 Abs. 2 S. 1 RVG. Danach bemisst sich der Wert unter Berücksichtigung des Interesses des Beschwerdeführers nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG, soweit sich aus dem RVG nichts anderes ergibt, was hier nicht der Fall war. Letztlich bestimmt sich der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren deshalb nach billigem Ermessen. Dabei ist der Wert in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung mit 5.000,00 EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR anzunehmen. Wegen der Begrenzung des Gegenstandswertes auf höchstens 500.000,00 EUR kann es im Einzelfall vorkommen, dass der Gegenstandswert im Beschwerdeverfahren niedriger ist als im erstinstanzlichen Zwangsgeldfestsetzungsverfahren.

Der Einzelrichterin des BGH ist somit ein "Anfängerfehler" unterlaufen, indem sie für die Bemessung des Gegenstandswertes die falsche Vorschrift angewandt hat. Damit befindet sie sich allerdings in guter Gesellschaft, denn auch dem LAG Hamburg (zfs 2015, 409 m. Anm. Hansens = RVGreport 2015, 153 [Hansens]) ist vor einiger Zeit derselbe Fehler unterlaufen. Es kann hier nicht festgestellt werden, dass bei Anwendung der zutreffenden Vorschrift des § 23 Abs. 3 S. 2 ZPO der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfah...

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