Nrn. 1000, 1006 VV RVG; §§ 3, 14, 45 Abs. 1 RVG; § 113 SGG

Leitsatz

Bei einer gemeinsamen Einigung in mehreren Rechtsstreitigkeiten als Gesamtvergleich entsteht nicht nur eine anteilig auf alle Rechtssachen zu verteilende Einigungsgebühr, sondern vielmehr in jedem Verfahren eine eigene Einigungsgebühr in voller Höhe. Die Terminsgebühr entsteht dagegen anteilig.

LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.10.2021 – L 9 SO 11/21 B

I. Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Ausgangsverfahren begehrte die Klägerin höhere Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Neben dem Ausgangsverfahren führte die Klägerin zeitgleich weitere drei Verfahren vor dem SG, in welchen andere Bewilligungsbescheide bzw. Änderungsbescheide betroffen waren.

Im Jahr 2019 fand sodann ein gemeinsamer gerichtlicher Termin zur mündlichen Verhandlung aller vier Verfahren statt, in welchem für das Ausgangsverfahren und ein weiteres der übrigen drei Verfahren ein gemeinsamer Vergleich geschlossen wurde. Die anderen Klagen sind im Termin zurückgenommen worden. Die Rücknahmeerklärungen sind nicht Gegenstand des geschlossenen Vergleiches geworden.

Der Prozessbevollmächtigte beantragte sodann aufgrund bewilligter Prozesskostenhilfe die Vergütung aus der Landes- bzw. Staatskasse wie folgt (Berechnung in abgekürzter Form):

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV i.H.v. 280,00 EUR
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV i.H.v. 300,00 EUR

Der UdG des SG setzte die anwaltliche Vergütung mit umfangreich begründetem Beschluss wie folgt fest (Berechnung ebenfalls in abgekürzter Form):

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV i.H.v. 140,00 EUR
Einigungsgebühr, Nr. 1006 VV i.H.v. 150,00 EUR

Zur Begründung wurde umfassend ausgeführt, dass bei Gesamtvergleichen in mehreren Rechtsstreitigkeiten lediglich eine einheitliche Einigungsgebühr entstehe, welche sodann auf die beiden Verfahren nach gleichen Anteilen aufzuteilen ist. Zur Begründung wurde auf den Beschl. des LSG Nordrhein-Westfalen v. 6.10.2016 (L 19 AS 46/16 B) verwiesen. Es läge nur ein einheitliches Sitzungsprotokoll vor.

Die Terminsgebühr sei vorliegend aufzuteilen, da mehrere Streitsachen gemeinsam verhandelt worden sind.

Die hiergegen eingelegte Erinnerung des beigeordneten Anwalts wurde nach Nichthabhilfeentscheidung des UdG durch das SG als unbegründet zurückgewiesen.

Die Entscheidung ist sodann mit der Beschwerde angegriffen worden.

II. Entscheidung des SG und LSG

Auch nach der Erinnerungsentscheidung des SG handelte es sich bei dem protokollierten Vergleich um einen einheitlichen Gesamtvergleich beider Rechtstreitigkeiten, welcher in jedem Verfahren die Einigungsgebühr nur hälftig entstehen lässt. Eine gemeinsame Einigung in mehreren Rechtsstreitigkeiten derselben Beteiligten lässt – unberücksichtigt davon, ob eine förmliche Verbindung erfolgt oder überhaupt zulässig ist – nur eine Einigungsgebühr entstehen.

Auch die Terminsgebühr sei in festgesetzter Höhe entstanden.

Der Senat des LSG entschied vorliegend wegen grundsätzlicher Bedeutung mit drei Berufsrichtern. In der Sache hob der Senat die Erinnerungsentscheidung des SG bzgl. der Einigungsgebühr auf.

III. Terminsgebühr

Der Senat folgt im Ergebnis der derzeit einhelligen Rechtsauffassung (u.a. LSG Sachsen, Beschl. v. 19.6.2013 – L 8 AS 45/12 B KO m.w.N.; Hessisches LSG, Beschl. v. 28.4.2014 – L 2 AS 708/13 B; Bayerisches LSG, Beschl. v. 23.9.2015 – L 15 SF 273/14 E; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.12.2015 – L 19 AS 1475/15 B), dass der gesamte Zeitaufwand für eine gemeinsame Erörterung mehrerer Rechtsstreitigkeiten nicht jeweils in jedem der einzelnen Verfahren voll zu berücksichtigen ist.

Werden ohne förmlichen Verbindungsbeschluss mehrere Verfahren zur Verhandlung bzw. Erörterung aufgerufen, fallen in jeder Streitsache gesonderte Terminsgebühren an. Für die Bestimmung der Höhe der Terminsgebühren ist allerdings der jeweils auf das einzelne Verfahren entfallende – insbesondere zeitliche – Aufwand der anwaltlichen Tätigkeit im Termin maßgeblich. Ergibt sich aus der Niederschrift über den gemeinsamen Termin kein konkreter Zeitaufwand für jedes einzelne Verfahren, ist die Gesamtdauer des Termins gleichmäßig auf die aufgerufenen Verfahren aufzuteilen und der dann errechnete zeitliche Aufwand des Anwalts bzw. die jeweilige Terminsdauer an einer durchschnittlichen Terminsdauer vor den Sozialgerichten zu messen. Die durchschnittliche Terminsdauer schwankt sehr stark, liegt jedoch der Rspr. bei 30–50 Minuten (vgl. Dahn/Schmidt, Anwaltsgebühren im Sozialrecht, 3. Aufl., 2021, § 9 Rn 7 ff.).

Für die Höhe der Terminsgebühr ist die Dauer des Termins das wesentliche Kriterium, denn damit wird der Aufwand des Rechtsanwalts in zeitlicher Hinsicht unmittelbar erfasst, den er für seine Anwesenheit bei dem Termin hatte. Bei der Terminsgebühr handelt es sich um eine Anwesenheitsgebühr, es reicht insoweit die "vertretungsbereite Anwesenheit".

IV. Einigungsgebühr

1. Gesamtvergleich lässt einheitliche Einigungsgebühr entstehen

Neben der Lit. lässt auch ein Großteil der Rspr. bei einer gemeinsamen Einigung in mehreren Rechtsstreitigkeiten derselben Beteiligten nur eine (einheitliche) Einigungsgebühr...

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