Einigen sich die Parteien in einem Mahnverfahren auch über weitergehende nicht im Mahnverfahren rechtshängige Gegenstände, entstehen zweifellos für den Rechtsanwalt des Antragstellers eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV und für den Rechtsanwalt des Antragsgegners eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3307 VV. Fraglich ist allerdings, ob dem Rechtsanwalt des Antragstellers wie im gerichtlichen Verfahren eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 2 VV (1. Instanz), eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3306 VV aus dem Wert der nicht rechtshängigen Ansprüche entsteht. Denn im Mahnverfahren ist die Streitsache weder anhängig noch rechtshängig. § 696 Abs. 3 ZPO fingiert lediglich, dass die Streitsache als mit Zustellung des Mahnbescheids rechtshängig geworden gilt, wenn sie "alsbald" nach der Erhebung des Widerspruchs abgegeben wird. Wird die Sache jedoch nicht alsbald an das zur Durchführung des streitigen Verfahrens zuständige Gericht abgegeben, so tritt die Rechtshängigkeit mit Eingang der Akten beim Prozessgericht ein.[1]

 

Beispiel 1: Klageverfahren über nicht rechtshängige Ansprüche

Rechtsanwalt R klagt auftragsgemäß 10.000,00 EUR ein; nach Klagezustellung unterbreitet der Beklagtenvertreter ein schriftliches Vergleichsangebot über einen Zahlbetrag von 7.000,00 EUR. Hierdurch sollen auch weitere nicht rechts- bzw. anhängige Ansprüche von 5.000,00 EUR mit abgegolten sein. R nimmt im Auftrag des Mandanten das Vergleichsangebot an.

Sowohl dem Kläger- als auch dem Beklagtenanwalt entstehen folgende Vergütungsansprüche:

 
1. 1,3-Verfahrensgebür, Nr. 3101 VV 798,20 EUR  
  (Wert: 10.000,00 EUR)    
2. 0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3101 Nr. 2 VV 267,20 EUR  
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
    1.065,40 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 RVG   933,40 EUR
  nicht mehr als    
  1,3 aus 15.000,00 EUR    
3. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1003, 1000 Nr. 1 VV 614,00 EUR  
  (Wert: 10.000,00 EUR)    
4. 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 Nr. 1 VV 501,00 EUR  
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
    1.115,00 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 RVG   1.077,00 EUR
  nicht mehr als    
  1,5 aus 15.000,00 EUR    
5. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme   2.030,40 EUR
6. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   385,78 EUR
  Gesamt   2.416,18 EUR

Überträgt man den Fall im Beispiel 1 auf das Mahnverfahren, stellt man fest, dass es dort an einer vergleichbaren Regelung wie im Klageverfahren nach Nr. 3101 Nr. 2 VV fehlt. Es entsteht nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut für den Antragstellervertreter eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV und für den Antragsgegnervertreter eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3307 VV aus dem Wert der anhängigen und nicht anhängigen Gegenstände von 15.000,00 EUR.

 

Beispiel 2: Mahnverfahren über nicht anhängige Ansprüche

Rechtsanwalt R erwirkt auftragsgemäß einen Mahnbescheid über 10.000,00 EUR ein; nach Zustellung des Mahnbescheids unterbreitet der Antragsgegnervertreter ein schriftliches Vergleichsangebot über einen Zahlbetrag von 7.000,00 EUR. Hierdurch sollen auch weitere nicht anhängige Ansprüche von 5.000,00 EUR mit abgegolten sein. R nimmt im Auftrag des Mandanten das Vergleichsangebot an.

Den beteiligten Rechtsanwälten entstehen folgende Vergütungsansprüche:

 
I. Antragstellervertreter    
1. 1,0-Verfahrensgebür, Nr. 3305 VV   718,00 EUR
  (Wert: 15.000,00 EUR)    
2. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1003, 1000 Nr. 1 VV 614,00 EUR  
  (Wert: 10.000,00 EUR)    
3. 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 Nr. 1 VV 501,00 EUR  
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
    1.115,00 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 RVG   1.077,00 EUR
  nicht mehr als    
  1,5 aus 15.000,00 EUR    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme   1.815,00 EUR
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   344,85 EUR
  Gesamt   2.159,85 EUR

 

 
I. Antragsgegnervertreter  
1. 0,5-Verfahrensgebür, Nr. 3307 VV   359,00 EUR
  (Wert: 15.000,00 EUR)    
2. 1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1003, 1000 Nr. 1 VV 614,00 EUR  
  (Wert: 10.000,00 EUR)    
3. 1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 Nr. 1 VV 501,00 EUR  
  (Wert: 5.000,00 EUR)    
    1.115,00 EUR  
  gem. § 15 Abs. 3 RVG   1.077,00 EUR
  nicht mehr als    
  1,5 aus 15.000,00 EUR    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme   1.456,00 EUR
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   276,64 EUR
  Gesamt   1.732,64 EUR

Ob dieses Ergebnis vom Gesetzgeber beim Rechtsanwalt des Antragstellers tatsächlich so gewollt ist, muss allerdings bezweifelt werden. Denn der Rechtsanwalt kann im Mahnverfahren, in dem geringere Gebühren als im Rechtsstreit anfallen (1,3 gem. Nr. 3101 VV), für dieselbe Tätigkeit wie in einem Rechtsstreit (0,8 gem. Nr. 3101 Nr. 2 VV), nicht höhere Verfahrensgebühren erhalten als im Rechtsstreit. Als Folge wäre somit Nr. 3306 VV anzuwenden. Eine Analogie scheidet jedoch aus. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die "Interessenlage vergleichbar" ist (das ist der Fall) und das Fehlen einer passenden Rechtsnorm eine "planwidrige Regelungslücke" darstellt. Letzteres ist aber gerade nicht gegeben. Denn die dargestellte Proble...

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