2. Zwischen den Beteiligten ist der Sache nach hinsichtlich des Erstattungsanspruchs der Erinnerungsführerin gegen die Erinnerungsgegnerin nur streitig, ob der Verfahrensbevollmächtigte der Erinnerungsführerin wegen der für sie im Verfahren VG 37 L 225.18 V erbrachten anwaltlichen Leistungen der Umsatzsteuer unterlag. Unstreitig dürfte hingegen sein, dass der bejahendenfalls entstandene Umsatzsteuerbetrag i.H.v. 53,45 EUR der offenbar nicht vorsteuerabzugsberechtigten Erinnerungsführerin von ihrem Verfahrensbevollmächtigten nach Nr. 7008 VV in Rechnung gestellt werden durfte und ihr nach § 162 Abs. 1, 2 S. 1 VwGO von der Erinnerungsgegnerin zu erstatten ist, welche laut Beschl. v. 12.11.2018 die Kosten des Verfahrens VG 37 L 225.18 V mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen hat.

3. Die eingangs genannte Streitfrage ist zu bejahen.

a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UStG unterliegen die im Inland ausgeführten entgeltlichen Leistungen eines Unternehmers der Umsatzsteuer. Rechtsanwälte und -anwältinnen erbringen sonstige Leistungen i.S.d. § 3 Abs. 9 S. 1 UStG. Diese werden nach § 3a Abs. 1 UStG grds. am Kanzleisitz erbracht und unterliegen daher bei inländischem Kanzleisitz der Umsatzsteuer. Etwas anderes gilt nach § 3a Abs. 4 S. 1, 2 Nr. 3 UStG u.a. dann, wenn der Empfänger oder die Empfängerin anwaltlicher Leistungen eine Privatperson mit Wohnsitz im Drittlandsgebiet, d.h. weder im Inland noch im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft (§ 1 Abs. 2, 2a UStG), ist. In einem solchen Fall fingiert § 3a Abs. 4 S. 1 UStG, dass die sonstige Leistung am Wohnsitz des Empfängers bzw. der Empfängerin ausgeführt wird. Derartige sonstige Leistungen unterliegen dann folglich nicht der Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UStG, sodass insoweit auch kein entsprechender Erstattungsanspruch gegen unterlegene Prozessgegner(innen) besteht.

b) Vorliegend ist nicht davon auszugehen, dass die Erinnerungsführerin während der Erbringung der anwaltlichen Leistungen bzw. zum Zeitpunkt der Fälligkeit der anwaltlichen Vergütung ihren Wohnsitz im Drittlandsgebiet, d.h. hier konkret in Ägypten, hatte.

Der Begriff des Wohnsitzes bestimmt sich nach den §§ 7 bis 11 BGB. Nach dem vorliegend allein interessierenden § 7 BGB begründet jemand, der sich an einem Ort ständig niederlässt, dort seinen Wohnsitz (Abs. 1) und wird dieser Wohnsitz aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben (Abs. 3).

Nach dem seitens der dortigen Antrags- und hiesigen Erinnerungsgegnerin unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der dortigen Antragstellerin und hiesigen Erinnerungsführerin im Verfahren VG 37 L 225.18 V wohnte diese zusammen mit ihrem deutschen Ehemann und den gemeinsamen vier minderjährigen deutschen Kindern unter der aus dem Rubrum ersichtlichen Berliner Anschrift und hatte eine bis Ende Januar 2031 gültige Aufenthaltserlaubnis. Es erscheint daher als nicht zweifelhaft, dass die Erinnerungsführerin über einen inländischen Wohnsitz verfügte. Mit Blick auf die weiteren – als solche ebenfalls unbestrittenen – Ereignisse, welche Gegenstand des Verfahrens VG 37 L 225.18 V waren, ist auch nicht davon auszugehen, dass die Erinnerungsführerin ihren inländischen Wohnsitz vor oder während der anwaltlichen Vertretung durch ihren Verfahrensbevollmächtigten verlor. Nach ihrem Vorbringen hielt sie sich vielmehr während der Sommerferien 2018 zusammen mit ihrem Ehemann und den teilweise bereits schulpflichtigen Kindern lediglich auf Verwandtenbesuch in Ägypten auf. Sie hatte vor, spätestens zum Ferienende mit ihrer Familie nach Berlin zurückzukehren, verlor jedoch in Ägypten am 21.7.2018 ihren Reisepass. Die Beschaffung der Ersatzpapiere sowie die Ausstellung eines "deklaratorischen Visums" durch die deutsche Botschaft nahmen mehrere Monate (bis Ende Oktober oder Anfang November 2018) in Anspruch, sodass sich die Erinnerungsführerin während dieser Zeit notgedrungen weiterhin in Ägypten aufhielt, statt "planmäßig" mit Ehemann und Kindern nach Berlin zurückzukehren. All dies spricht nicht dafür, dass die Erinnerungsführerin beim Aufbruch zu der Besuchsreise nach Ägypten oder während des Auslandsaufenthalts zu irgendeinem Zeitpunkt den Willen hatte, ihre Niederlassung in Berlin aufzuheben und damit ihren hiesigen Wohnsitz aufzugeben. Anderenfalls hätte sie sich wohl auch kaum anwaltlicher Hilfe bedient, um schnellstmöglich ihre Rückkehr ins Bundesgebiet zu erreichen.

Da § 3a Abs. 4 S. 1, 2 Nr. 3 UStG somit vorliegend keine Anwendung findet, waren die anwaltlichen Leistungen des Verfahrensbevollmächtigten der Erinnerungsführerin umsatzsteuerpflichtig und hat diese Anspruch auf Erstattung des Umsatzsteuerbetrags durch die Erinnerungsgegnerin.

AGS 2/2020, S. 73 - 74

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