GKG § 39

Leitsatz

Mehrere in einem Verfahren geltend gemachte Ansprüche werden gebührenrechtlich nur dann zusammengerechnet, wenn sie gleichzeitig nebeneinander verfolgt werden.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.8.2010 – I-24 W 9/10

1 Sachverhalt

Die Klägerin (Vermieterin) hatte für zwei der beklagten Mieterinnen zur Nutzung in deren Sonnenstudio überlassene Bräunungsgeräte Mietzinsen für die Zeit von April 2007 bis März 2008 (zwölf Monate) i.H.v. 8.568,00 EUR (12 x 714,00 EUR/Monat) eingeklagt. Nachdem die Beklagte (Mieterin) die Mieten der Monate April bis Juni 2007 i.H.v. 2.142,00 EUR (3 x 714,00 EUR/Monat) nach Eintritt der Rechtshängigkeit gezahlt und sich herausgestellt hatte, dass die übrigen Mieten bei jeweiliger Fälligkeit ausgeglichen worden waren, hat die Klägerin mit dem bei Gericht am 27.6.2008 eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums den Rechtsstreit wegen der erstgenannten Mieten (2.142,00 EUR) in der Hauptsache für erledigt und ferner erklärt, sie verfolge nicht mehr die Mieten der Monate Juli 2007 bis März 2008 (acht Monate) im Betrag von 6.426,00 EUR (8 x 714,00 EUR/Monat), sondern "alternativ" die Mieten der Monate August 2006 bis März 2007 i.H.v. 5.622,00 EUR (richtig: 5.712,00 EUR [8 x 714,00 EUR/Monat]). Anschließend hat sie die Klage zurückgenommen.

Mit dem jetzt angefochtenen Beschluss hat der Vorsitzende der angerufenen Kammer für Handelssachen unter Abänderung den zunächst bestimmten Streitwert (8.568,00 EUR [12 x 714,00 EUR/Monat]) auf 14.190,00 EUR heraufgesetzt (2.142,00 EUR + 6.426,00 EUR + 5.622,00 EUR). Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die den ursprünglich festgesetzten Streitwert (8.568,00 EUR) für richtig hält.

Das LG vertritt die Auffassung, die Werte der zurückgenommenen Streitgegenstandsteile seien zu addieren. Zwar seien die Streitgegenstände zu keinem Zeitpunkt gleichzeitig geltend gemachten worden. Die Wertaddition sei aber dennoch geboten, um den Umfang der Tätigkeit des Rechtsanwalts entsprechend dem Gebührenrecht zutreffend zu erfassen; denn dieser habe sich im Interesse des Mandanten im Prozess nacheinander mit beiden Klageansprüchen befassen müssen.

Die Beschwerde hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen

1. Der wegen nachträglich eingetretener Wertveränderungen zeitlich gestaffelt festzusetzende Streitwert beträgt bis zum 26.6.2008 gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 ZPO 8.568,00 EUR (12 x 714,00 EUR/Monat). Insoweit war die Wertfestsetzung für diesen Zeitraum im Beschl. v. 12.11.2008 zutreffend. Dies zieht auch keiner der Beteiligten in Zweifel.

2. Mit der Einreichung des die Klageänderung enthaltenden Schriftsatzes am 27.6.2008 hat sich der Streitwert indessen nicht, wie das LG meint, erhöht, er hat sich vielmehr auf 5.712,00 EUR ermäßigt.

a) Der Senat ist nicht daran gehindert, den Streitwert über den Beschwerdeangriff hinaus herabzusetzen. Die (Rechtsmittel-)Gerichte sind gem. § 61 GKG nicht an die Angaben der Parteien zum Wert des Streitgegenstandes gebunden. Sie sind vielmehr gem. § 63 Abs. 3 S. 1 GKG befugt, in den (hier eingehaltenen) zeitlichen Grenzen des S. 2 dieser Vorschrift den Streitwert jederzeit von Amts wegen festzusetzen und abzuändern; der im Zivilprozessrecht sonst fast ausnahmslos geltende Grundsatz des Verbots der "reformatio in peius" gilt im Streitwertrecht grundsätzlich nicht (Senat MDR 2009, 1187 = OLGR 2009, 745 sub B.II.1 m. w. Nachw.).

b) Der eingangs des Rechtsstreits maßgebliche Streitwert hat sich in Höhe des Teilerledigungswerts zunächst auf 6.426,00 EUR (8.568,00 EUR – 2.142,00 EUR) ermäßigt. Dem hat das LG schon nicht Rechnung getragen.

aa) Erledigt sich der ursprüngliche Streitgegenstand teilweise, so ist bezogen auf die Streitwertermittlung zu unterscheiden:

(1) Handelt es sich um eine einseitige, nur durch eine Prozesserklärung der klagenden Partei herbeizuführende Teilerledigung, führt die damit verbundene Klageänderung, nämlich der Teilübergang vom Leistungs- zum Kostenfeststellungsbegehren, zwar auch zu einer Herabsetzung des Streitwerts, aber nicht im Umfang der einseitig erklärten Teilerledigung. Der Streitwert setzt sich vielmehr zusammen aus dem restlichen Wert der Hauptsache und dem Kosteninteresse, das sich auf den erledigten Teil des Streitgegenstands bezieht; dieser Kostenwert ist durch eine Differenzkostenrechnung zu ermitteln (vgl. BGH WuM 2008, 35; Senat OLGR 2009, 706 m.w.Nachw.).

(2) Handelt es sich dagegen um übereinstimmende Erledigungserklärungen, führt der damit verbundene Wegfall eines Teils des Streitgegenstands zu einer Herabsetzung des Streitwerts, und zwar im Umfang des Werts des teilweise erledigten Streitgegenstands. Das beruht darauf, dass Nebenforderungen, zu denen auch Prozesskosten gehören, gem. § 43 Abs. 1 GKG ohne Einfluss auf den Gebührenstreitwert bleiben.

bb) Im Streitfall haben die Parteien den Rechtsstreit in Höhe eines Teilbetrags von 2.142,00 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt, die Klägerin ausdrücklich im Schriftsatz v. 27.6.2008 und die Beklagte konkludent im Schriftsatz v. 18.7.2008. Zuvor hatte die Beklagte eingeräumt, dass sie d...

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