[Ohne Titel]

Auch in den vergangenen beiden Jahren gab es wieder interessante – wenn auch wenige – Sachverhalte zur Beratungshilfe und zu den damit verbundenen Rechtsgebieten. Vorliegender Beitrag will die wichtigsten Entwicklungen aufzeigen und wo notwendig kommentieren. Ersichtlich wird es zwar ruhiger, aber "nicht ruhig" um dieses Thema.

I. Angelegenheit

Der Begriff der Angelegenheit wird – je nach Auftragsumfang – durch zwei Überlegungen "eingeschränkt".

1. Definition der Angelegenheit

Gem. § 3 Abs. 1 BerHG wird die Beratungshilfe in der Regel durch Rechtsanwälte gewährt. Was mit den Gebühren abgegolten ist, bestimmt auch im Bereich der Beratungshilfe ergänzend § 15 RVG, der hier den Begriff der Angelegenheit regelt.[1] In Erweiterung dieser Bestimmung wird der Begriff der Abgelegenheit aber in der Beratungshilfe viel weiter gefasst. Die Gebühren entgelten regelmäßig die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit (§ 15 Abs. 1 RVG). Sie können in derselben Angelegenheit dabei nur einmal gefordert werden (§ 15 Abs. 2 S. 1 RVG). Da es sich bei den Beratungshilfegebühren um gesetzlich festgelegte Pauschalsätze handelt, kann ein Rechtsanwalt nur dann mehr verdienen, wenn er für den Rechtsuchenden in mehreren Angelegenheiten tätig wird. Der Begriff der Angelegenheit ist gesetzlich nicht definiert. Es handelt sich um einen gebührenrechtlichen Begriff, der nicht identisch mit dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ist. Mümmler[2] beschreibt den Begriff der Angelegenheit als wohl eines der wesentlichen Probleme bei der Feststellung der aus der Staatskasse dem beratenden Rechtsanwalt zu erstattenden Vergütung. Es bestehe darin, ob es sich letztendlich im konkreten Falle um dieselbe oder um verschiedene Angelegenheiten handele. Diese Frage sei für den Rechtsanwalt auch deshalb wesentlich, weil die wertunabhängigen Gebühren nicht – wie im bürgerlichen Rechtsstreit – eine Zusammenrechnung der Einzelwerte der in derselben Angelegenheit zusammengefassten mehreren Gegenständen erlauben. Der gebührenrechtliche Begriff der Angelegenheit will eine Vielzahl von anwaltlichen Tätigkeiten zu einer gebührenrechtlichen Einheit zusammenfassen. Maßgebendes Kriterium der Abgrenzung zwischen einer und mehreren Angelegenheiten ist, ob die Gegenstände objektiv inhaltlich zusammengehören. Eine Angelegenheit kann daher mehrere Gegenstände beinhalten. Unter einer Angelegenheit ist nach der Rspr. des BGH das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll.[3]

[1] BT-Drucks 15/1971, 190.
[2] JurBüro 1993, 261.
[3] BGH JurBüro 2005, 141, BGH NJW 1995, 1431 u.a.

2. Pauschale Abgeltung – nicht aufwandsbezogen

Die Vergütung des Rechtsanwaltes bemisst sich nach den Vorschriften des RVG und ist dort in § 44 RVG sowie den Nrn. 2500 ff. VV geregelt. Es handelt sich bei den Beratungshilfegebühren – entgegen den für die gleiche Tätigkeit außerhalb der Beratungshilfe geltenden Regeln – um streitwertunabhängige Pauschgebühren.[4] Damit soll das Abrechnungsverfahren erleichtert[5] und – ohne Zweifel – auch die Staatskasse entlastet werden, weil streitwertabhängige Gebühren selbst nach der für die Prozesskostenhilfe (PKH) geltenden Tabelle durchweg höher wären.[6] In der Lit. werden die Gebühren daher teilweise nicht als Vergütung, sondern als "Entschädigung", nämlich "billige Entschädigung in Geld" für Aufopferung bezeichnet.[7] In vielen Fällen gehört die Vergütung aus Beratungshilfemandaten jedoch zu den unverzichtbaren Grundeinnahmen.[8] Die Gebühren der Beratungshilfe gelten pauschal, auch wenn die Gebühren für die Tätigkeiten des Rechtsanwaltes nach den üblichen Abschnitten des Gebührenrechtes geringer wären, also die Beratungshilfe-Vergütung darüber liegt.[9] Die Pauschalisierung zeigt: es kommt nicht auf den "Umfang" der Tätigkeit an.

1. und 2. zeigen folglich Beschränkungen auf, was die Verdienstmöglichkeiten des Anwaltes angeht. Einerseits soll er durch einen über § 15 RVG hinausgehenden Begriff der Angelegenheit beschränkt sein. Andererseits soll es dabei auch nicht auf den Umfang der Tätigkeit ankommen. Aktuell "anders" hat das AG Braunschweig[10] entschieden. Was war geschehen?

 

Sachverhalt

Das Hauptzollamt hatte gegen die in Bedarfsgemeinschaft lebenden Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf Betruges eingeleitet. Die Antragsteller benötigten zwecks Verteidigung gegen den bestehenden Strafbefehl Akteneinsicht und wollten hierfür anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Mit gemeinsamem Berechtigungsschein vom 1.10.2021 ist den Antragstellern, die jeweils für sich einen Beratungshilfeantrag gestellt hatten, Beratungshilfe für die Angelegenheit "Ermittlung Strafsache wegen Betruges" bewilligt worden.

Die Antragsteller haben daraufhin separat Beratung durch zwei unterschiedliche Rechtsanwälte einer Kanzlei in Anspruch genommen. Die beiden Rechtsanwälte haben mit Anträgen vom 17.11.2021 jeweils eine Beratungsgebühr und eine anteilige Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie Umsatzsteuer mit einem Gesamtbetrag von 54,98 EUR geltend gemacht...

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