In der Sache hat das LG die Erinnerung als nicht begründet angesehen. Zwar sei für die Teilnahme am Adhäsionsverfahren eine Gebühr angefallen. Der Pflichtverteidiger könne deren Erstattung indessen nicht aus der Landeskasse beanspruchen. PKH gem. § 404 Abs. 5 StPO, § 114 ZPO sei dem Angeklagten mangels entsprechender Antragstellung nicht bewilligt worden, sodass ein Gebührenanspruch des Verteidigers gegen die Landeskasse hieraus ausscheide. Ein Erstattungsanspruch ergebe sich auch nicht daraus, dass der Erinnerungsführer dem Angeklagten als Verteidiger bestellt worden sei.

1. Streitfrage

Die Frage, ob bei bereits bestehender Pflichtverteidigung – automatisch – PKH für das Adhäsionsverfahren gewährt und der Verteidiger insoweit beigeordnet wird, sei umstritten. Während einerseits angenommen werde, die Pflichtverteidigung umfasse auch die Vertretung im Adhäsionsverfahren (vgl. u.a. OLG Rostock StraFo 2011, 378 = RVGreport 2011, 423 = AGS 2011, 486 = StRR 2011, 441 = StV 2011, 656 = AGS 2011, 540; OLG Köln StraFo 2005, 394 = AGS 2005, 436 = RVGreport 2005, 316; OLG Hamm StraFo 2001, 361 = AGS 2002, 110 = JurBüro 2001, 531; OLG Schleswig NStZ 1998, 101; KK-StPO/Willnow, 8. Aufl., 2019, § 140 Rn 4; jeweils m.w.N.), werde andererseits eine gesonderte Beiordnung für erforderlich gehalten (vgl. KG RVGreport 2011, 142 = JurBüro 2011, 254 [Ls.]), OLG Bamberg StRR 2009, 3 [Ls.] = NStZ-RR 2009, 114 [Ls.]; OLG Dresden JurBüro 2013, 134; MüKo StPO/Grau, 2019, § 404 Rn 8; v. Heintschel-Heinegg/Bockemühl, in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, StPO, 2020, § 404 Rn 29; Schöch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 4. Aufl., 2020, § 404 Rn 19; Schneider/Volpert/Stollenwerk, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., 2021, VV RVG Nrn. 4141–4147 Rn 53, jeweils m.w.N.).

Der BGH habe diese Frage bislang nicht einheitlich entschieden: Während der 6. Strafsenat die Auffassung vertrete, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers auch die Vertretung im Adhäsionsverfahren umfasst (BGH AGS 2021, 431 = StraFo 2021, 473 = NJW 2021, 2901), habe der 5. Strafsenat in seinem Beschl. v. 8.12.2021 – 5 StR 162/21 dargelegt, dass die Beiordnung des Verteidigers für das Adhäsionsverfahren nach § 404 Abs. 5 S. 2 StPO die Bewilligung von PKH und damit einen entsprechenden Antrag unter Beifügung einer Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse voraussetze (§ 405 Abs. 5 S. 1 StPO i.V.m. § 117 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO).

2. Die Auffassung des LG Osnabrück

Letzterer Ansicht hat sich das LG angeschlossen, unter Hinweis auf Rechtsauffassung des OLG Oldenburg (vgl. Beschl. v. 22.4.2010 – 1 Ws 178/10, AGS 2010, 427 = StraFo 2010, 306). Danach werde die Vertretung im Adhäsionsverfahren von der Pflichtverteidigerbestellung nicht erfasst. Nach § 404 Abs. 5 StPO könne dem Angeschuldigten nur auf Antrag und nur unter den Voraussetzungen der §§ 114 ff. ZPO – und zwar unabhängig vom Antragsteller – PKH gewährt werden. Dass dies nur dann gelten solle, wenn der Angeschuldigte keinen beigeordneten Verteidiger habe, könne weder dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrer Entstehungsgeschichte entnommen werden. Vielmehr stelle § 404 Abs. 5 S. 2 StPO klar, dass einem Angeschuldigten, der (bereits) einen Verteidiger habe, nach entsprechender Antragstellung und nur unter den Voraussetzungen der §§ 114 ff. ZPO dieser dann auch zur Abwehr des Adhäsionsantrages und nicht nach § 121 Abs. 2 ZPO zusätzlich ein anderer Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet werden solle. Falls § 404 Abs. 5 S. 1 StPO – wie von der Gegenmeinung angenommen werde – nur in Fällen gelte, in denen die Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 StPO nicht vorliegen, wäre die Vorschrift des § 404 Abs. 5 S. 2 StPO überflüssig. Denn einem Angeschuldigten, dem ein Pflichtverteidiger beigeordnet wurde, müsste darüber hinaus ein Rechtsanwalt als Vertreter im Adhäsionsverfahren überhaupt nicht mehr beigeordnet werden. Darüber hinaus erfolge die Beiordnung nach § 404 Abs. 5 S. 1 StPO unter anderen Voraussetzungen und mit anderen Zielen als die Verteidigerbestellung nach §§ 140 ff. StPO. Während nämlich Letztere sich – ohne Rücksicht auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeschuldigten – am strafrechtlichen Vorwurf ausrichte und allein dem im öffentlichen Interesse liegenden Zweck dient, in schwerwiegenden Fällen eine ordnungsgemäße Verteidigung und einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, diene das Adhäsionsverfahren nicht der Gewährleistung des staatlichen Strafanspruchs, sondern dem individuellen zivilrechtlichen Interesse des Verletzten, der seinen aus der Tat erwachsenen Schadensersatzanspruch aus prozessökonomischen Gründen als Annex des Strafverfahrens geltend machen könne. Daher soll die Beiordnung im Adhäsionsverfahren nur erfolgen, wenn der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die entstehenden Kosten ganz oder teilweise nicht aufbringen könne und wenn die beabsichtigte Rechtsverteidigung hinreichende Auss...

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