Verfahrensgang

LG Dessau (Urteil vom 02.11.2020; Aktenzeichen 1 KLs (426 Js 6713/19))

 

Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 2. November 2020

  1. hinsichtlich des Angeklagten K. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist;

    im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen;

  2. hinsichtlich des Angeklagten L.

    aa) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben; dieser entfällt,

    bb) im Adhäsionsausspruch

    (1) dahin geändert, dass Zinsen erst ab dem 6. Oktober 2020 zu zahlen sind,

    (2) aufgehoben, soweit die Ersatzpflicht des Angeklagten für künftige immaterielle Schäden der Adhäsionsklägerin festgestellt worden ist; insoweit wird von einer Entscheidung abgesehen,

  3. hinsichtlich der Angeklagten G. im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben; dieser entfällt.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

3. Der Angeklagte L. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Neben- und Adhäsionsklägerin durch die Revision entstandenen notwendigen Auslagen sowie die besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens in der Revisionsinstanz zu tragen. Es wird davon abgesehen, der Angeklagten G. die Kosten ihres Rechtsmittels aufzuerlegen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Diebstahls- und Raubdelikten zu Freiheitsstrafen verurteilt, die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Rz. 2

1. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet es, dass das Landgericht nicht geprüft hat, ob gegen den Angeklagten K. die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen ist, obwohl auf der Grundlage der Feststellungen hierzu Anlass bestanden hätte. Danach liegt beim Angeklagten, der seit seinem 16. Lebensjahr Cannabis konsumiert, eine Betäubungsmittelabhängigkeit vor. Dann ist aber in der Regel ein Hang im Sinne von § 64 StGB gegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2021 – 6 StR 90/21). Die Taten hat der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe ferner verübt, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren. Dies genügt für die Annahme des sogenannten symptomatischen Zusammenhangs (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. August 2019 – 4 StR 330/19 Rn. 14 f. mwN).

Rz. 3

Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nach den Urteilsgründen nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) neu verhandelt und entschieden werden.

Rz. 4

2. Die gegen die Angeklagten L. und G. gemäß § 73 Abs. 1, § 73c StGB, § 2 Abs. 2 JGG angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen ist rechtsfehlerhaft.

Rz. 5

Nach den Feststellungen des Landgerichts waren diese Angeklagten an den Taten ausschließlich als Fahrer der Fluchtfahrzeuge beteiligt. Sie transportierten die Beute gemeinsam mit den anderen Tatbeteiligten und leiteten sie auch nicht weiter. Für diese Unterstützungshandlungen erhielten sie „Spritgeld”, aber keinen Beuteanteil. Damit fehlte ihnen die erforderliche faktische Mitverfügungsmacht über das durch die Tat Erlangte. Da die Strafkammer keine Feststellungen zur Höhe des „Spritgeldes” treffen konnte, kommt mangels Schätzgrundlage auch insoweit eine Einziehung nicht in Betracht, so dass die Anordnungen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu entfallen haben.

Rz. 6

3. Der Adhäsionsausspruch bedarf im Hinblick auf den Beginn des Zinslaufs aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen der Änderung.

Rz. 7

4. Der Feststellungsanspruch betreffend die Ersatzpflicht des Angeklagten L. für künftige immaterielle Schäden der Adhäsionsklägerin war aufzuheben, weil die Strafkammer den Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes nicht beachtet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2021 – 6 StR 325/20). Der Senat sieht in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO von einer Entscheidung ab (§ 406 Abs. 1 Satz 3 StPO).

 

Unterschriften

Sander, König, Feilcke, Tiemann, von Schmettau

 

Fundstellen

Haufe-Index 14767579

NJW 2021, 2901

JurBüro 2021, 603

ZfS 2021, 703

AGS 2021, 431

NJW-Spezial 2021, 635

StRR 2021, 31

StRR 2021, 5

StraFo 2021, 473

VRR 2021, 3

StV-S 2021, 155

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