Die Entscheidung des Bay. LSG bedarf einiger Anmerkungen.

1. Unterbliebene Herabsetzung des Streitwertes

Das SG Augsburg hatte den Streitwert für den Vergleich auf 28.421,22 EUR festgesetzt. Dabei hat es neben den mit verglichenen nicht anhängigen Forderungen i.H.v. insgesamt 16.904,15 EUR auch die Klageforderung in dem anhängigen Gerichtsverfahren i.H.v. 11.527,07 EUR berücksichtigt. Dies war falsch, da ein Anlass für die Festsetzung des Vergleichsmehrwertes nur insoweit bestanden hat, als der gerichtliche Vergleich über nicht gerichtlich anhängige Gegenstände geschlossen worden ist. Die Klageforderung in dem Verfahren des SG Augsburg war jedoch anhängig. Damit hat das SG Augsburg einen zu hohen Streitwert festgesetzt, was dazu führt, dass die gerichtliche Vergleichsgebühr nach Nr. 7600 GKG KV von dem Kostenschuldner nach einem erheblich höheren Streitwert berechnet wird.

Das Bay. LSG hat es jedoch versäumt, den Streitwert gem. § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen auf den richtigen Betrag von 16.904,15 EUR herabzusetzen. Dies ist auch bei einer Beschwerde auf Anhebung des Streitwertes zulässig.

2. Zulässigkeit der Streitwertbeschwerde

a) Des Prozessbevollmächtigten

Zu Recht hat das Bay. LSG die Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin als zulässig angesehen. Dieser konnte nämlich gem. § 32 Abs. 2 S. 1 RVG die Beschwerde aus eigenem Recht einlegen. Er war auch durch die nach seiner Auffassung zu niedrige Festsetzung des Vergleichsmehrwertes beschwert, weil er die Festsetzung eines viel höheren Vergleichsmehrwertes begeht hat, was im Erfolgsfall seiner Beschwerde zur Folge gehabt hätte, dass er seine Gebühren nach einem höheren Gegenstandswert hätte berechnen können.

b) Der Klägerin

Warum das Bay. LSG hingegen die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in Namen seiner Mandantin eingelegte Beschwerde ebenfalls als zulässig angesehen hat, erschließt sich mir nicht. Die Klägerin wäre durch die Festsetzung des Vergleichsmehrwertes nur dann beschwert, wenn sie mit ihrem Rechtsbehelf die Festsetzung eines geringeren Streitwertes begehrt. Dies hätte dann zur Folge, dass sie bei einer Herabsetzung des Vergleichsmehrwertes auch eine niedrigere gerichtliche Vergleichsgebühr an die Staatskasse zu zahlen hätte. Vorliegend hatte die Klägerin jedoch die Erhöhung des Vergleichsmehrwertes begehrt, was im Erfolgsfalle zu einer erheblichen Erhöhung der gerichtlichen Vergleichsgebühr geführt hätte. Das Bay. LSG hätte deshalb die Beschwerde der Klägerin als unzulässig verwerfen müssen (s. hierzu auch NK-GK/N. Schneider, 3. Aufl., 2021, § 68 GKG Rn 30 ff.).

Dass hier die auf Heraufsetzung des Vergleichsmehrwertes gerichtete Streitwertbeschwerde der Klägerin ausnahmsweise zulässig gewesen wäre, weil diese mit ihrem Rechtsanwalt eine wertunabhängige Vergütungsvereinbarung getroffen hätte und bei einem höheren Streitwert einen höheren Erstattungsanspruch erzielen würde, ist hier nicht ersichtlich. Zum einen gibt es für den Abschluss einer solchen Vergütungsvereinbarung keine Anhaltspunkte. Zum anderen berechnen sich die Anwaltsgebühren eben nicht nur nach dem im Verfahren vor dem SG Augsburg festgesetzten Vergleichsmehrwert, sondern auch nach den in den anderen Verfahren festgesetzten Streitwerten.

3. Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes

I.Ü. sind die Ausführungen des Bay. LSG zutreffend. Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes kommt nur dann und nur insoweit in Betracht, als durch den Abschluss des Vergleichs überhaupt eine weitere Gerichtsgebühr anfällt. Dies ist nach Nr. 7600 GKG KV – wie vom Bay. LSG zutreffend erörtert – nur insoweit der Fall, als sich der Vergleich auf nicht anderweitig anhängige Gegenstände erstreckt hat. Dies ist i.Ü. keine Spezialität im sozialgerichtlichen Verfahren, sondern gilt in allgemeinen Zivilsachen ebenso wie in Familiensachen, in denen die gerichtliche Vergleichsgebühr ebenfalls nur unter diesen Voraussetzungen anfällt (s. etwa Nr. 1900 GKG KV und Nr. 1500 FamGKG KV). In allen diesen Fällen fällt die gerichtliche Vergleichsgebühr somit nur an, wenn Ansprüche mitverglichen werden, die überhaupt nicht anhängig sind (N. Schneider, NJW-Spezial 2020, 155 und AGS 2019, 336).

4. Festsetzung des Gegenstandswertes

Eine Festsetzung des Gegenstandswertes kam hier zunächst schon deshalb nicht in Betracht, weil diese gem. § 33 Abs. 1 RVG einen Antrag erfordert, den ein gem. § 33 Abs. 2 S. 2 RVG Antragsberechtigter zu stellen hat. I.Ü. lagen auch die Voraussetzungen für die Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 33 RVG nicht vor. Das Bay. LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die aus dem Abschluss des Mehrvergleichs ergebenden Anwaltsgebühren nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Streitwert berechnen, der in dem anhängigen Verfahren vor dem SG Augsburg und in den übrigen weiteren anhängigen Verfahren festzusetzen ist.

VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin

AGS 1/2022, S. 37 - 40

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