Bei der konkreten Bemessung der Verfahrensgebühr ist von der Mittelgebühr auszugehen.[58] Bei der Bemessung der konkreten Gebühr muss sich der Rechtsanwalt von den Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG leiten lassen. Dabei kommt es vor allem auf den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit, sowie auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten an.[59] Reicht die Verfahrensgebühr danach wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens nicht aus, den Rechtsanwalt zumutbar zu entlohnen, kommt die Feststellung bzw. Gewährung einer Pauschgebühr nach §§ 42, 51 RVG in Betracht.

Auf der Basis sind dann alle Umstände und alle erbrachten Tätigkeiten, die vom Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr erfasst werden, zu berücksichtigen.[60] Damit wird bei der Bemessung der Verfahrensgebühr der zusätzliche Aufwand, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt, nicht berücksichtigt. Dieser Aufwand wird durch die Grundgebühr Nr. 4100 VV abgegolten.[61] Erfasst von der (gerichtlichen) Verfahrensgebühr werden insbesondere auch die Tätigkeiten zur allgemeinen Vorbereitung der Hauptverhandlung, wie z.B. das intensive Bemühen um eine Verständigung (§ 257c StPO)/Absprache, die zu einer Abkürzung der Hauptverhandlung geführt hat. Das kann z.B. zur Folge haben, dass diese Tätigkeiten zu einer deutlich über der Mittelgebühr liegenden Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren führen, demgegenüber aber wegen des geringeren Zeitaufwands in der Hauptverhandlung für die Terminsgebühr allenfalls nur die Mittelgebühr gerechtfertigt ist. Von Bedeutung sind auch die Anzahl der vom Rechtsanwalt ggfs. geführten Gespräche, die Schwierigkeit der Beweisführung.[62] Der Umfang der Anklageschrift hat bei Strafrichteranklagen, die i.d.R. sehr kurz sind, keine Bedeutung.[63] Das OLG Stuttgart[64] hat die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren (Nr. 4104 VV) um die Hälfte der Differenz zwischen Mittelgebühr und Höchstgebühr in einem Schwurgerichtsverfahren mit rund 600 Blatt Akten und schwieriger Sachlage (Aussage-gegen-Aussage-Konstellation) erhöht.[65] Allein die Tatsache, dass dem Angeklagten im Falle einer Verurteilung eine unbedingte Freiheitsstrafe gedroht hätte, rechtfertigt aber nicht die Annahme einer 30 % über der Mittelgebühr liegenden Verfahrensgebühr.[66]

Autor: Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 1/2022, S. 1 - 5

[58] U.a. KG AGS 2006, 73 = StV 2006, 198 = RVGreport 2007, 181 für die Terminsgebühr; OLG Bamberg RVGreport 2018, 172 = NStZ-RR 2018, 192; OLG Hamm StraFo 2007, 218 = Rpfleger 2007, 426 = JurBüro 2007, 309; OLG Köln RVGreport 2016, 452 = RVGprofessionell 2016, 125; OLG Schleswig RVGreport 2017, 173 = Sonderausgabe StRR 5/2017, 7; LG Bochum, Beschl. v. 15.10.2009 – 3 Qs 230/09, insoweit nicht in StRR 2010, 117; LG Meiningen JurBüro 2011, 642; LG Wuppertal RVGreport 2020, 221 = JurBüro 2020, 357; LG Zweibrücken RVGreport 2010, 377 = VRR 2010, 360; JurBüro 2012, 247 = AGS 2012, 433; AG Lüdinghausen RVGreport 2006, 183; AG Trier, RVGreport 2005, 271 für die Terminsgebühr; wegen der Gebührenbemessung im Einzelnen s. jeweils bei den Verfahrensgebühren des VV in Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O.
[59] Dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A Rn 1687 ff.
[60] Zur Bemessung a. Lissner, RVGreport 2013, 166.
[61] Vgl. BR-Drucks 517/12, 439 = BT-Drucks 17/11471, 281 f.; Burhoff, AGS 2021, 443, 451.
[62] AG Lüdinghausen RVGreport 2006, 183.
[63] AG Lüdinghausen, a.a.O.
[64] RVGreport 2014, 66 = RVGprofessionell 2014, 24.
[65] Zur Abwägung auch noch anschaulich OLG Saarbrücken RVGreport 2014, 103.
[66] LG Saarbrücken, Beschl. v. 18.12.2015 – 6 Qs 188/15.

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