1. Gesetzliche Grundlagen

Dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt steht gem. § 45 Abs. 1 S. 1 RVG die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse – hier des Landes Sachsen-Anhalts – zu. Dabei bestimmt sich der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalt gem. § 48 Abs. 1 RVG nach den Beschlüssen, durch die PKH bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Die dem beigeordneten Rechtsanwalt zustehende Vergütung wird auf Antrag gem. § 55 Abs. 1 RVG vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzt.

2. Kein Anspruch auf Verzinsung

Das LAG Sachsen-Anhalt hat darauf hingewiesen, dass beim Vergütungsfestsetzungsverfahren gem. § 11 RVG in § 11 Abs. 2 S. 3 RVG die entsprechende Anwendung von § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO bestimmt ist, wonach auf Antrag die Verzinsung des festgesetzten Betrags mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB angeordnet wird. Demgegenüber verweist nach den weiteren Ausführungen des LAG § 55 Abs. 5 S. 1 RVG nicht auf die Vorschrift des § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO, sondern nur auf § 104 Abs. 2 ZPO. Aufgrund der Änderung des § 55 Abs. 5 S. 1 RVG durch das KostRÄG 2021 (BGBl I, 3229) beschränkt sich die Verweisung übrigens nur auf § 104 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO. § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO, nach dem zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen die Erklärung des Antragstellers genügt, dass er diese Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann, wird nach der Neufassung nicht mehr für entsprechend anwendbar erklärt, da es für den Anspruch aus der Landeskasse auf die Vorsteuerabzugsberechtigung des Rechtsanwalts ohnehin nicht ankommt.

Insoweit hat sich das LAG Sachsen-Anhalt der Auffassung des Thür. LSG (AGS 2015, 415 = RVGreport 2015, 421 [Hansens]) und des LSG München (Beschl. v. 8.5.2013 – L 15 SF 104/12 B) angeschlossen.

3. Kein Anspruch auf Verzugspauschale

Weil das RVG schon die Verzinsung des Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse nicht regelt, gilt dies nach den weiteren Ausführungen des LAG Sachsen-Anhalt erst recht für den Unterfall der gesetzlichen Verzinsung bei Verzug, nämlich bei der Verzugspauschale des § 288 Abs. 5 BGB. Auch deren Anwendung sei in den §§ 48 bis 55 RVG nicht vorgesehen, sodass eine Festsetzung insoweit ausscheide.

a) Keine direkte Anwendung

Eine direkte Anwendung der §§ 286, 288 Abs. 5 BGB scheidet nach Auffassung des LAG Sachsen-Anhalt deshalb aus, weil zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin einerseits und der Landeskasse des Landes Sachsen-Anhalt andererseits kein vertragliches Schuldverhältnis besteht. Zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Landeskasse sei nämlich zu keinem Zeitpunkt eine Vereinbarung über die Erbringung von Anwaltsleistungen geschlossen worden.

b) Keine entsprechende Anwendung

Das BSG hatte in seinem Beschl. v. 27.6.2017 (BSGE 123, 238 = NZS 2018, 275) einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen bei Zahlungsansprüchen aus einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag entsprechend § 288 BGB bejaht. In jenem Fall ging es um den Anspruch eines Krankenhauses gegen einen Unfallversicherungsträger auf Bezahlung von Behandlungskosten eines Versicherten aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag. Nach Auffassung des BSG (a.a.O.) richtet sich in einem solchen Fall der Verzinsungsanspruch nach den Vorschriften des BGB, weil insoweit eine planwidrige Gesetzeslücke vorliege.

Im vorliegenden Fall hat das LAG Sachsen-Anhalt keine planwidrige Lücke im Gesetz gesehen. Durch die in § 55 Abs. 5 S. 1 RVG vorgenommene Verweisung nur auf § 104 Abs. 2 ZPO habe der Gesetzgeber nämlich eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dahingehend getroffen, dass eine Verzinsung ausgeschlossen sei. Zwar habe der Deutsche AnwaltVerein eine Verzinsung des dem beigeordneten Rechtsanwalts aus der Landeskasse zu zahlenden Vergütungsanspruchs ab Eingang des Festsetzungsantrags angeregt. Mit dieser politischen Forderung habe er sich jedoch bis heute nicht durchgesetzt. Außerdem habe sich das BSG (a.a.O.) nicht mit § 288 Abs. 5 BGB auseinandergesetzt, sondern nur allgemein mit der Frage der entsprechenden Anwendbarkeit der Verzugsvorschriften des BGB.

c) Kein Verstoß gegen die Richtlinie 211/7/EU

Diese Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2011 (ABl L 48) ist zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr eingeführt worden. Auch aus dieser Richtlinie ergibt sich nach Auffassung des LAG Sachsen-Anhalt kein Anspruch des beigeordneten Rechtsanwalts auf die Verzugspauschale. Der EuGH habe in seinem Beschl. v. 9.7.2020 – C-199/19 (ABl EU 2020, Nr. C 287, 9) – entschieden, dass unter den in dieser Richtlinie definierten Geschäftsverkehr alle zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen als Entgelt für "Handelsgeschäfte" geleisteten Zahlungen fallen würden. Ein Rechtsgeschäft müsse somit – so der EuGH – eine wirtschaftliche Tätigkeit betreffen. Das LAG Sachsen-Anhalt hat darauf hingewiesen, dass der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanw...

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