GKG §§ 45 Abs. 3 u. 4, 63, 68

Leitsatz

  1. Begehrt die Staatskasse mit ihrer Streitwertbeschwerde eine Werterhöhung, ist sie in dem Umfang beschwert, in dem ihr Anspruch gegen den Kostenschuldner durch die erfolgte Streitwertfestsetzung gegenüber der für richtig gehaltenen Festsetzung geschmälert wird. Die Beschwer entfällt nicht, wenn dem Kostenschuldner ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt ist. Die Bewilligung führt nicht dazu, dass kein Gebührenanspruch besteht. Der Anspruch der Staatskasse unterliegt lediglich einer Forderungssperre mit der Wirkung einer Stundung, die der Berücksichtigung im Rahmen der Beschwer nicht entgegen steht.
  2. Schließen die Parteien einen Vergleich unter vollständiger Erledigung der Klageforderung und einer im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Gegenforderung, ist der Wert der Gegenforderung werterhöhend zu berücksichtigen. Der Streitwert erhöht sich um den Betrag der Gegenforderung bis maximal zum Wert der Klageforderung. Der Vergleichswert erhöht sich dagegen um den vollen Betrag der Gegenforderung.

KG, Beschl. v. 24.5.2018 – 4 W 17/18

1 Sachverhalt

Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung eines Betrages von 21.189,79 EUR nebst Zinsen sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Im vorangehenden Prozesskostenhilfeverfahren hatte die Beklagte sich lediglich mit einer Gegenforderung i.H.v. 29.336,37 EUR verteidigt und hierzu auf eine eigene Rechnung gegen den Kläger verwiesen. Hierauf war dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Im Streitverfahren hat die Beklagte – nunmehr anwaltlich vertreten – den klägerischen Anspruch in Zweifel gezogen und die Gegenforderung nur mehr im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemacht. Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Parteien sich darauf verglichen, dass sämtliche wechselseitigen Ansprüche abgegolten seien, insbesondere aus den fraglichen Rechnungen. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs haben die Parteien gegeneinander aufgehoben. Das LG hat den Streitwert auf 21.189,79 EUR und den Vergleichswert auf 29.725,89 EUR festgesetzt. Weiter hat es beschlossen, dem Kläger werde Prozesskostenhilfe "auch für den Vergleich bzw. bis zu dem Vergleichswert" gewährt.

Die Landeskasse rügt mit ihrer Beschwerde, dass der Wert richtigerweise (21.189,79 EUR + 29.725,89 EUR =) 50.915,68 EUR betragen müsse. Insbesondere erhöhe sich nicht nur der Vergleichs-, sondern auch der Streitwert um den Wert einer bestrittenen Gegenforderung, wenn über diese ein Vergleich geschlossen werde. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem KG zur Entscheidung vorgelegt. Es hält die Beschwerde mangels Erreichens der Mindestbeschwer für unzulässig, nachdem die Landeskasse bei einem höheren Streitwert zwar höhere Gerichtsgebühren erhalten würde, zugleich aber höhere Gebühren an den Prozessbevollmächtigten des Klägers erstatten müsse. Die Beschwerde sei auch in der Sache nicht begründet, weil über den Hilfsanspruch nicht entschieden worden sei; vielmehr sei dieser nach dem Vergleich fallen gelassen worden. Es bestehe kein Anlass, die Parteien einer dem Rechtsfrieden dienlichen Verständigung mit einem höheren Streitwert "zu bestrafen".

2 Aus den Gründen

Die Beschwerde – über die das Beschwerdegericht gem. §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 6 S. 1 GKG durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden hat – ist statthaft und auch i.Ü. zulässig, §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 S. 2 GKG. Insbesondere ist die Mindestbeschwer von 200,00 EUR erreicht, denn die Beschwer der Staatskasse beträgt (265,50 EUR + 61,16 EUR =) 326,66 EUR.

Beschwerdegegenstand i.S.d. § 68 Abs. 1 S. 1 GKG ist der kostenmäßige Nachteil, der dem Beschwerdeführer durch die erfolgte Festsetzung des Streitwerts erwächst (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.1.2005 – 15 W 29/04, OLGR 2005, 562). Entscheidend ist, in welchem Umfang sich die Position des Beschwerdeführers kostenmäßig durch die erfolgte Streitwertfestsetzung gegenüber der Position bei einer Streitwertfestsetzung in der von ihm gewünschten Höhe verschlechtert. Die Höhe der Beschwer der Staatskasse ermittelt sich danach, in welcher Höhe ein Anspruch der Staatskasse gegen den Kostenschuldner durch die erfolgte Streitwertfestsetzung gegenüber der für richtig gehaltenen Festsetzung geschmälert wird, und gegebenenfalls – bei bewilligter Prozesskostenhilfe – danach, inwieweit ein Anspruch eines beigeordneten Rechtsanwalts auf Vergütung durch die erfolgte Streitwertfestsetzung erhöht wird (vgl. nur Laube, in: Dörndorfer/Neie/Petzold/Wendtland, BeckOK Kostenrecht, § 68, Rn 83; Zimmermann in: Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Aufl., 2014, § 68 GKG, Rn 8; Volpert, in: Schneider/ders./Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl., 2017, Rn 34).

1. Der seitens der Landeskasse hier für richtig gehaltene Wert ergibt sich aus der Rechtsmittelschrift vom 14.2.2018 und ergänzend aus der Stellungnahme vom 19.3.2018, wonach Streitwert und Vergleichswert beide auf 50.915,68 EUR festzusetzen seien.

2. Der wertabhängige Teil der Ge...

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