RVG § 9; InsO §§ 80 Abs. 1, 81; BRAO § 43a Abs. 2; BORA §§ 2, 23

Leitsatz

Die Pflicht des Anwalts zur Erteilung einer ordnungsgemäßen Abrechnung über gezahlte Vorschüsse des Mandanten besteht auch gegenüber dem Insolvenzverwalter des Mandanten.

BGH, Beschl. v. 18.6.2018 – AnwZ (Brfg) 61/17

1 Sachverhalt

Der Kläger war seit 2004 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er wurde am 16.3.2011 von einer Mandantin "in Sachen Schuldangelegenheiten" beauftragt. Am selben Tag unterzeichnete die Mandantin zum Zwecke der Schuldenbereinigung einen Dienstleistungsvertrag mit einem "H.-Institut", nach welchem sie monatliche Zahlungen von 70,00 EUR zu leisten hatte; 50,00 EUR sollten treuhänderisch für Gläubiger der Schuldnerin verwahrt werden, während 20,00 EUR für Verwaltungskosten bestimmt waren. Am 18.9.2014 stellte der Kläger der Mandantin für die Vorbereitung eines Insolvenzantrags insgesamt 3.165,88 EUR in Rechnung. Am 5.2.2015 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Mandantin eröffnet und Rechtsanwältin K. G. zur Insolvenzverwalterin bestellt.

Die Verwalterin forderte den Kläger vergeblich zur Abrechnung der von ihm vereinnahmten Gelder auf. Mit Bescheid vom 27.1.2017 erteilte die Beklagte dem Kläger eine berufsrechtliche Belehrung wegen einer Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung gem. § 23 BORA. Die Klage gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des AnwGH.

2 Aus den Gründen

Der Antrag des Klägers ist nach § 112e S. 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch i.Ü. zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e S. 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschl. v. 29.12.2016 – AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn 3; v. 15.12.2017 – AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn 3). Daran fehlt es hier.

a) Der Kläger vertritt weiterhin die Ansicht, nur gegenüber seiner Mandantin, nicht auch gegenüber der Verwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Mandantin zur Erteilung einer ordnungsgemäßen Abrechnung über gezahlte Vorschüsse verpflichtet zu sein. Dies trifft nicht zu.

aa) Der Anwalt ist gem. § 9 RVG berechtigt, einen angemessenen Vorschuss für bereits entstandene und voraussichtlich noch entstehende Gebühren und Auslagen zu fordern (vgl. etwa BGH, Urt. v. 8.5.2014 – IX ZR 219/13, WM 2014, 1082 Rn 10). Gem. § 675 Abs. 1, § 666 BGB ist er zur Rechenschaftslegung über die erhaltenen Vorschüsse verpflichtet. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mandanten geht das Recht, diesen Anspruch geltend zu machen, gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über (BGH, Urt. v. 30.11.1989 – III ZR 112/88, BGHZ 109, 260, 263 f. zu § 6 KO). Die Vorschrift des § 23 BORA erhebt die vertraglichen Auskunfts- und Rechenschaftspflichten des Anwalts in den Rang einer Berufspflicht (von Seltmann, in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 23 BORA Rn 1), ändert jedoch nichts an der Zuordnung des Anspruchs zum Vermögen des Mandanten und an der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters über Ansprüche, die zur Insolvenzmasse gehören. Eine der Mandantin persönlich erteilte Abrechnung war zur Erfüllung des zur Insolvenzmasse gehörenden Anspruchs ungeeignet (vgl. § 81 InsO).

bb) Die anwaltliche Schweigepflicht des Klägers aus § 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA steht seinen Auskunfts- und Rechenschaftspflichten gegenüber der nach § 80 InsO verwaltungs- und verfügungsbefugten Insolvenzverwalterin nicht entgegen. Mit der Insolvenz des Mandanten geht die Dispositionsbefugnis des "Geheimnisherrn", soweit Angelegenheiten der Masse betroffen sind, auf den Verwalter über. Gegenteiliges folgt nicht aus der vom Kläger angeführten Vorschrift des § 97 Abs. 1 InsO, nach welcher der Schuldner gegenüber dem Verwalter über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben hat. Aus dieser Auskunftspflicht hat der BGH gerade hergeleitet, dass der Schuldner nicht berechtigt ist, Dritte wegen ihnen anvertrauter Geheimnisse von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Aus Rechten des Insolvenzschuldners kann der Anwalt deshalb keine Einwendungen gegen das Auskunftsverlangen des Verwalters herleiten (BGH, Urt. v. 30.11.1989, a.a.O., S. 270 zu § 100 KO; Nassall, KTS 1988, 633, 642 f.; Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl., § 44 BRAO Rn 35; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 14. Aufl., § 97 Rn 5).

cc) Das Grundrecht des Klägers aus Art. 12 GG ist nicht verletzt. Die Vorschrift des § 666 BGB in ihrer berufsrechtlichen Ausformung durch § 23 BORA betrifft die Berufsausübung des Rechtsanwalts und ist als Ergänzung der Vorschusspflicht des Mandanten gem. § 9 RVG durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt.

b) Die Beklagte war für den Erlass der missbilligenden Belehrung zuständig...

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