I. Der Fall

Der Anwalt war in einem Scheidungsverfahren tätig. Anhängig war neben der Ehesache nur die Folgesache Versorgungsausgleich. Ausgehend von einem monatlichen Nettoeinkommen beider Ehegatten in Höhe von 3.000,00 EUR hat das Gericht den Wert für die Ehesache auf 9.000,00 EUR und für den Versorgungsausgleich (zwei Anwartschaften) auf 1.800,00 EUR festgesetzt. Beiden Beteiligten war Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten bewilligt worden. Im Termin haben die Beteiligten dann auch das Umgangsrecht für die gemeinsamen Kinder erörtert und einen Vergleich geschlossen, der protokolliert worden ist.

Das Gericht hat daraufhin den Wert für den Mehrwert des Vergleichs gem. § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG auf 20 % der Ehesache, also auf 1.800,00 EUR, festgesetzt.

Nach dem Gesamtwert von (9.000,00 EUR + 1.800,00 EUR + 1.800,00 EUR =) 12.600,00 EUR meldeten die Verfahrensbeteiligten sodann ihre Gebühren an.

Das Gericht war der Auffassung, aus dem Mehrwert des Vergleichs seien die Gebühren von der Landeskasse nicht zu übernehmen, da es insoweit an einer Beiordnung fehle.

II. Umfang der Beiordnung

Beiordnung erstreckt sich auch auf Mehrvergleich

Der Einwand, es fehle an einer Verfahrenskostenhilfebewilligung, ist unzutreffend. Nach § 48 Abs. 3 RVG erstreckt sich die in der Ehesache bewilligte Verfahrenskostenhilfe auch auf den Abschluss einer Vereinbarung über das Umgangsrecht mit den gemeinsamen Kindern. Es bedarf also keines gesonderten Beschlusses, der sich auf den Mehrwert des Vergleichs erstreckt. Die Bewilligung für den Vergleich ergab sich hier bereits aus dem Gesetz, sodass die beteiligten Anwälte auch insoweit ihre Vergütung aus der Landeskasse erhalten mussten.

Bewilligung und Beiordnung erfasst auch Terminsgebühr

Die Bewilligung und Beiordnung erstreckt sich dabei nach zutreffender Ansicht nicht nur auf die Einigungsgebühr und die Verfahrensgebühr, sondern auch auf die gleichzeitig ausgelöste Terminsgebühr:

OLG Nürnberg AGS 2009, 331 = OLGR 2009, 684 – 22.12.2010 – 7 WF 1773/10;
OLG Karlsruhe OLGR 2009, 639 = FuR 2009, 636 = MDR 2009, 1253 = JurBüro 2009, 590 = FamRZ 2009, 2114 = Rpfleger 2010, 29 = NJW 2010, 1383 = FPR 2010, 364 = FF 2010, 85;
OLG Bamberg AGS 2010, 141 = JurBüro 2009, 591= FamRZ 2010, 231;
OLG Koblenz AGS 2006, 349 = JurBüro 2006, 473 = OLGR 2006, 895 = AnwBl 2006, 587 = FamRZ 2006, 1691 = MDR 2007, 182;
OLG Köln AGS 2007, 547 = FamRZ 2008, 707 = OLGR 2008, 367 = NJW-Spezial 2007, 523;
OLG Saarbrücken AGS 2009, 77 = NJW 2008, 3150 = OLGR 2008, 823 = FamRZ 2009, 143 = RVGreport 2008, 384;
OLG Stuttgart AGS 2008, 353 = AnwBl 2008, 303 = FamRZ 2008, 1010 = JurBüro 2008, 306 = Rpfleger 2008, 368 = OLGR 2008, 501 = MDR 2008, 1067 = Justiz 2008, 367 = RVGprof. 2008, 77;
AG Marburg AGS 2007, 510.

A.A. (keine Erstreckung):

OLG München AGS 2009, 503 = OLGR 2009, 604 = JurBüro 2009, 478 = NJW-RR 2009, 1367 = FamRZ 2009, 1779 = MDR 2009, 1315; OLGR 2009, 530;
OLG Celle, Beschl. v. 21.1.2011 – 10 WF 6/11;
AG Westerburg, Beschl. v. 20.1.2010 – 21 C 262/06.

III. Verfahrenswert

Das Gericht hat den Verfahrenswert für das Umgangsrecht auf 20 % der Ehesache festgesetzt und dies mit § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG begründet.

Umgangsrecht wird durch Vergleich nicht Folgesache

Dabei hat das Gericht jedoch übersehen, dass die Vorschrift des § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG nur für solche Umgangsrechtsverfahren gilt, die Folgesache i.S.d. § 137 FamFG sind. Das war hier aber nicht der Fall. Zur Folgesache wird das Umgangsrecht nur, wenn ein dahingehender Antrag auf Einleitung eines solchen Verfahrens gestellt wird (§ 137 FamFG), nicht aber dadurch, dass ein Vergleich geschlossen wird. Hier kommt hinzu, dass die Folgesache Umgangsrecht gar nicht mehr verbundfähig gewesen wäre. Nach § 137 FamFG muss ein Antrag zu einer Folgesache mindestens zwei Wochen vor dem Scheidungstermin eingereicht werden. Diese Frist war hier im Termin längst verstrichen.

Verfahrenswert für Umgang beträgt 3.000,00 EUR

Da es sich also nicht um eine Folgesache handeln konnte, blieb es bei der Bewertung des § 45 Abs. 1 FamGKG, wonach Umgangsrechtsverfahren mit einem Wert von 3.000,00 EUR zu bewerten sind. Der Mehrwert des Vergleichs belief sich hier also auf 3.000,00 EUR (siehe Schneider/Thiel FamFR 2010, 529).

IV. Was ist zu tun?

Verfahrenswert ist zunächst auch für das VKH-Festsetzungsverfahren bindend

Da auch in einem Verfahren über die Vergütungsfestsetzung in der Verfahrenskostenhilfe eine Bindungswirkung an die vom Gericht festgesetzten Verfahrenswerte besteht (§ 32 Abs. 1 RVG), muss zunächst einmal eine Abänderung des Verfahrenswertes erreicht werden. Das Vergütungsfestsetzungsverfahren ist gegebenenfalls so lange auszusetzen.

Anwälte müssen Beschwerde gegen Verfahrenswert einlegen

Die beteiligten Anwälte müssen also zunächst einmal aus eigenem Recht nach § 32 Abs. 2 RVG i.V.m. § 58 FamGKG gegen die Wertfestsetzung des Gerichts Beschwerde erheben. Das FamG kann dann der Beschwerde abhelfen (§ 58 Abs. 2 FamGKG). Soweit es ihr nicht abhilft, hat es die Beschwerde dem OLG vorzulegen, das dann hierüber ab...

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