Ein Antrag auf Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe (PKH oder VKH) ist dem Gegner vorab zur Kenntnis- und Stellungnahme zu geben (§ 118 Abs. 1 ZPO). Problematisch ist in der Praxis, wie zu verfahren ist, wenn der Antragsgegner keine Stellungnahme abgibt und dann später seinerseits um Bewilligung von PKH oder VKH nachsucht.

 

Beispiel

Der Antragsteller beantragt die Bewilligung von PKH für eine beabsichtigte Klage. Der Antrag wird dem Antragsgegner zur Kenntnis- und Stellungnahme übermittelt. Dieser reagiert nicht, worauf dem Antragsteller PKH bewilligt wird. Nach Zustellung der Klage erhebt der nunmehrige Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten erhebliche Einwände, die den Klageanspruch zu Fall bringen. Gleichzeitig beantragt er unter Berufung auf seine Klageerwiderung, ihm PKH für seine Rechtsverteidigung zu bewilligen.

Zum Teil wird Mutwilligkeit angenommen

Zum Teil wird in der Rechtsprechung angenommen, ein solches Verhalten des Antragsgegners und späteren Beklagten sei mutwillig i.S.d. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO. Er hätte im Verfahren auf Bewilligung von PKH seine Einwände bereits vorbringen können. Hätte er dies getan, dann wäre dem Antragsteller erst gar keine PKH bewilligt worden. Damit wiederum wäre es aber auch nicht mehr zu einem gerichtlichen Verfahren gekommen, sodass der Beklagte seinerseits erst gar keine PKH benötigt hätte.

 
Hinweis

Die Rechtsverteidigung gegen eine Klage kann dann mutwillig sein, wenn eine Partei Einwendungen zurückhält, die nur zu einer eingeschränkten Bewilligung von Prozesskostenhilfe geführt hätten.

OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.5.2002 – 12 WF 81/02, AGS 2003, 123 = FamRZ 2002, 1712 = ZFE 2002, 261 = BRAGOreport 2003, 60

 
Hinweis

Erklärt eine Partei, zum Prozesskostenhilfegesuch der Gegenseite keine Erklärung abzugeben, so stellt sich die spätere Rechtsverteidigung regelmäßig als mutwillig i.S.v. § 114 ZPO dar.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 5.4.2005 – 9 WF 79/05, JurBüro 2006, 37 = FuR 2006, 84 = FamRZ 2006, 349 u. 869

 
Hinweis

Die Mutwilligkeit des Verhaltens nach § 114 ZPO kann gegeben sein, wenn die Partei bereits vorprozessual oder in dem der Unterhaltsklage vorgeschalteten PKH-Prüfungsverfahren ihr Verhalten nicht auf eine möglichste Vermeidung des Rechtsstreits ausrichtet, indem sie insbesondere auf Aufforderungsschreiben der klagenden Partei oder des Gerichts nicht reagiert.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.7.2007 – 9 WF 197/07, FuR 2007, 536 = FamRZ 2008, 70 = JurBüro 2008, 39 = MDR 2008, 103 = ZFE 2008, 72 = FamRB 2008, 43

 
Hinweis

Die Rechtsverteidigung gegen eine Klage kann dann mutwillig sein, wenn eine Partei Einwendungen im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren der Gegenseite zurückhält.

OLG Köln, Beschl. v. 25.9.2008 – 2 W 63/08, JurBüro 2009, 145

 
Hinweis

Unterlässt es der Antragsgegner anlässlich der Prüfung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zugunsten des Antragstellers ohne triftigen Grund, in einer rechtzeitigen Stellungnahme Einwendungen geltend zu machen, mit denen er ohne weiteren Aufwand ein Hauptsacheverfahren verhindern könnte, so ist seine spätere entsprechende Rechtsverteidigung als verfahrenskostenhilferechtlich mutwillig i.S.v. § 114 ZPO, § 113 Abs. 1 FamFG zu beurteilen.

OLG Celle, Beschl. v. 12.8.2011 – 10 WF 299/10, MDR 2011, 1235 = FamRZ 2012, 47 = JurBüro 2011, 653 = RVGreport 2011, 400 = FamFR 2011, 444 = FuR 2012, 42 u. 385

Beschränkung auf eindeutige Fälle

Zum Teil wird die Mutwilligkeit auf die Fälle beschränkt, in denen der Antragsgegner ohne Weiteres die Einwendungen selbst hätte vortragen können und diese ersichtlich zur Abweisung des Prozesskostenhilfeantrags geführt hätten.

 
Hinweis

Die Rechtsverteidigung des Beklagten ist nicht deswegen als mutwillig anzusehen, weil er sich im Prozesskostenhilfeverfahren der Gegenseite nicht zur Klage geäußert hat; dies gilt insbesondere dann, wenn im Prozess eine Beweisaufnahme erforderlich würde. Anders kann es nur sein, wenn ein Einwand des Beklagten den Klageanspruch bereits im Prozesskostenhilfeverfahren zu Fall gebracht hätte.

OLG Köln, Beschl. v. 30.8.2010 – 11 W 57/10, AGS 2010, 611 = MDR 2011, 259 = FamRB 2011, 49

Die überwiegende Rechtsprechung lehnt eine Mutwilligkeit jedoch grds. ab.

 
Hinweis

Einem Beklagten, der zunächst zum Prozesskostenhilfeantrag der Klägerseite nicht Stellung genommen hatte, kann – sofern er nach Klageerhebung selbst Prozesskostenhilfe für seine Rechtsverteidigung beantragt – diese nicht wegen Mutwilligkeit versagt werden.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.8.2001 – 5 WF 133/01, FamRZ 2002, 1132

 
Hinweis

Die unterbliebene Erklärung des anwaltlich vertretenen Antragsgegners zur Sache im Verfahrenskostenhilfeverfahren des Antragstellers begründet keine Mutwilligkeit des Vorgehens.

OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.4.2012 – 3 WF 98/12, AGS 2012, 401 = MDR 2012, 995 = FamRZ 2013, 59

 
Hinweis

Ein Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragsgegners in einer Familiensache kann nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, die beabsichtigte Rechtsverteidigung sei mutwillig, weil der Antragsgegner es unterlassen hab...

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