Nach § 35 ZPO hat die klagende Partei das Recht, unter mehreren Gerichtsständen frei auszuwählen. Strittig ist, wie sich die Ausübung des Wahlrechts auf die Kostenerstattung auswirkt, ob also die Partei unter mehreren Gerichtsständen den kostengünstigsten Weg einschlagen muss.

Klage am Ort einer Partei

Unstrittig ist, dass die anfallenden Kosten jedenfalls dann in voller Höhe zu ersetzen sind, wenn die Klage am Sitz des Klägers oder des Beklagten erhoben wird. Auf das Gesamtverfahren bezogen fallen dann nämlich keine zusätzlichen Kosten an.

 
Praxis-Beispiel

Der in Hamburg wohnende Kläger klagt gegen den in München wohnenden Beklagten vor dem LG München obwohl er auch vor dem LG Hamburg hätte klagen können.

Die Reisekosten des Klägers und seines Bevollmächtigten zum Termin in München sind erstattungsfähig. Hätte der Kläger in Hamburg geklagt, wären für den Beklagten und seinen Prozessbevollmächtigten Reisekosten in derselben Höhe entstanden und erstattungsfähig. Bezogen auf den gesamten Rechtsstreit sind also durch die Wahl des Gerichtsstands München keine zusätzlichen Kosten entstanden.

Einem Kläger kann insbesondere nicht angelastet werden, dass er – aus welchen Gründen auch immer – keine Möglichkeit gesehen hat, den Beklagten unter einem anderen als seinem allgemeinen Gerichtsstand zu verklagen.

OLG Köln JurBüro 1992, 104 = Rpfleger 1992, 222 = OLGR 1992, 48

Strittig für Klage an einem dritten Ort

Strittig ist die Kostenerstattung jedoch dann, wenn die Klage weder am Sitz des Beklagten noch am Sitz des Klägers, sondern an einem dritten Ort erhoben wird.

Nach

LG Hamburg JurBüro 2008, 655,
OLG Stuttgart AGS 2008, 624 = Justiz 2008, 281 = OLGR 2008, 768 = MMR 2008, 749 = WRP 2008, 1263,
LG Bayreuth JurBüro 1976, 1378

sind Reisekosten des Klägers dann nicht erstattungsfähig, wenn er sich gem. § 35 ZPO dafür entschieden hat, nicht im eigenen Gerichtsstand gegen den Beklagten vorzugehen, sondern an einem dritten Ort, der auch nicht dem Gerichtsstand des Beklagten entspricht. Dann sollen die Reisekosten des Klägers nicht erstattungsfähig sein.

Diese Auffassung wird in der übrigen Rechtsprechung zu Recht abgelehnt, da damit das freie Wahlrecht, das § 35 ZPO garantiert, unterlaufen würde.

Auch aus kostenerstattungsrechtlichen Gesichtspunkten besteht freie Anwaltswahl

Eine klagende Partei kann auch unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten unter mehreren Gerichtsständen frei auswählen und muss dabei nicht den kostengünstigsten Weg einschlagen. Die Beschränkung der erstattungsfähigen Kosten auf das Prozessnotwendige gilt in diesen Fällen nur für das konkret eingeleitete Verfahren.

OLG Hamm OLGR 2001, 236,
OLG München, Beschl. v. 18.5.1978 – 11 W 1319/78,
OLG München JurBüro 1994, 477,
OLG Köln JurBüro 1976, 374 = MDR 1976, 496,
OLG Köln JurBüro 1976, 1100 = Rpfleger 1976, 323,
OLG Köln, Beschl. v. 1.12.2008 – 17 W 211/08,
KG KGR 2008, 315 = MDR 2008, 653,
OLG Frankfurt AnwBl 1983, 186,
OLG Frankfurt JurBüro 1985, 1884.

Abgesehen davon kann es auch gute Gründe für eine Klage am dritten Ort geben:

 
Praxis-Beispiel

Der in A wohnende Kläger war in B in einen Verkehrsunfall verwickelt, den der in C wohnende Beklagte verursacht hat.

Hier kann es gegebenenfalls sinnvoll sein, in B am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung zu klagen (§ 32 ZPO), da dem Gericht in B die Örtlichkeiten besser bekannt sind, es gegebenenfalls einen Ortstermin anberaumen kann und dadurch gegebenenfalls eine günstigere Entscheidung zu erwarten ist.

Gleicher Auffassung, allerdings mit der Einschränkung, die ausgeübte Wahl dürfe nicht rechtsmissbräuchlich sein, sind

OLG Hamburg, Beschl. v. 27.11.1991 – 3 W 73/91,
KG VersR 1976, 971.

Es fragt sich allerdings, inwieweit die Ausübung des Wahlrechts nach § 35 ZPO rechtsmissbräuchlich sein kann.

Auch in Wettbewerbsstreitigkeiten kann der Antragsteller im einstweiligen Verfügungsverfahren unter mehreren ihm zur Verfügung stehenden Gerichtsständen frei wählen, ohne dass ihm bei der Kostenfestsetzung entgegengehalten werden könnte, bei Wahl eines anderen Gerichtsstandes wären weniger Kosten entstanden:

OLG Hamburg MDR 1999, 638 = JurBüro 1999, 367 = OLGR 1999, 335 = AnwBl 2000, 321,
OLG Hamburg MDR 1978, 849.

A.A. wohl auch hier

LG Hamburg JurBüro 2008, 655,
OLG Stuttgart AGS 2008, 624 = Justiz 2008, 281 = OLGR 2008, 768 = MMR 2008, 749 = WRP 2008, 1263.

Folgt man der Auffassung, eine Klage an einem dritten Ort beinhalte einen Verstoß gegen die Verpflichtung, die Kosten gering zu halten, dann kann man die Kostenerstattung jedenfalls nicht gänzlich ausschließen, sondern nur, soweit die Kosten einer Klage am dritten Ort die Kosten einer Klage am Sitz der Parteien übersteigen.

 
Praxis-Beispiel

Der in Hamburg wohnende Kläger verklagt den in München wohnenden Beklagten vor dem LG Berlin. Der Klage wird stattgegeben. Die Kosten trägt der Beklagte.

Zwar hat der Kläger jetzt an einem dritten Ort geklagt. Mehrkosten sind jedoch nicht entstanden. Hätte der Kläger in München am Sitz des Beklagten geklagt, ...

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