Leitsatz (amtlich)

Zur Berücksichtigung von Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwaltes des Klägers im Kostenfestsetzungsverfahren: Die Berücksichtigung ist nicht allein deshalb zu verneinen, weil der Kläger bei der Erhebung der Klage weitgehende Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Gerichtsstandes hatte (§ 35 ZPO) und daher etwa auch am Sitz des Rechtsanwaltes hätte klagen können.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 29.03.2007; Aktenzeichen 27 O 954/06)

 

Tenor

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin vom 29.3.2007 - Geschz.: 27 O 954/06 - wird geändert und wie folgt neu gefasst:

Die nach dem Urteil des LG Berlin vom 30.1.2007 von der Antragsgegnerin an den Antragsteller zu erstattenden Kosten werden auf 383,61 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Baiszinssatz seit dem 5. Feburar 2007 festgesetzt.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beschwerdeführerin zu 66 % und der Beschwerdegegner zu 34 %.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 323,44 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Beschwerdegegner macht in der Hauptsache einen presserechtlichen Unterlassungsanspruch geltend. Er ist seit Einleitung des gerichtlichen Verfahrens in Sotterhausen (Sachsen-Anhalt) wohnhaft. Sein Prozessbevollmächtigter hat den Kanzleisitz in Uslar (Niedersachsen). Die straßenwegige Entfernung zwischen Sotterhausen und Berlin beträgt 239 km; zwischen Uslar und Berlin beträgt sie 353 km. Für die Fahrt von Sotterhausen nach Berlin mit dem Pkw werden etwa 2 ½ Stunden benötigt; von Uslar nach Berlin etwa 3 ½ Stunden. Das LG hat in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.3.2007, der Beschwerdeführerin zugestellt am 2.4.2007, u.a. die Kosten des Prozessbevollmächtigten des Beschwerdegegners für eine Fahrt von dessen Kanzleisitz zum Termin vor dem LG Berlin sowie Tage- und Abwesenheitsgeld für beantragte 9 Stunden - insgesamt 271,80 EUR zzgl. 19 % MwSt - berücksichtigt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde, beim LG eingegangen am 16.4.2007.

Die Beschwerdeführerin macht zur Begründung ihrer sofortigen Beschwerde geltend, dass zu den notwendigen Kosten des Rechtsstreit nur diejenigen Kosten gehören, die entstanden wären, wenn der Beschwerdegegner einen Berliner Rechtsanwalt mit der Prozessführung beauftragen hätte. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes am Ort des angerufenen Gerichtes sei dem Beschwerdegegner jedenfalls deshalb zuzumuten, weil er als Antragsteller in einer presserechtlichen Hauptsache - anders als möglicherweise ein Antragsgegner - den Gerichtsstand weitestgehend frei wählen konnte. Der Beschwerdegegner hält dem entgegen, dass ihn der Prozessbevollmächtigte auch in anderen Angelegenheiten ständig vertrete und sich dieser daher schneller in den Prozessstoff habe einarbeiten können als ein anderer Rechtsanwalt. Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie durch Verfügung vom 4.9.2007 (Bl. 122R d.A.) ohne weiter Begründung dem KG zur Entscheidung vorgelegt.

II.1. Das Beschwerdegericht ist zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde befugt.

Zwar ist die Nichtabhilfe- und Vorlageentscheidung des LG gem. § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO insofern verfahrensfehlerhaft als diese Entscheidung durch schlichte Verfügung getroffen wurde und keinerlei Begründung erkennen lässt. Dass die Nichtabhilfe- und Vorlageentscheidung durch begründeten Beschluss zu ergehen hat, entspricht der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (zum Beschlusserfordernis: OLG Stuttgart MDR 2003 110 [111]; OLG Koblenz Rpfleger 1978, 104 [105], zur Nichtabhilfe und Vorlage nach § 11 RPflG a.F.; Lipp in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. 2007, § 572 Rz. 10; Gummer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 572 Rz. 10; Hartmann in Baubach/Lauterbach, ZPO, 65. Aufl. 2007, § 572 Rz. 8; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1994, § 571 a.F. Rz. 4 und 6; zum Begründungserfordernis: Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 329 Rz. 24, m.w.N.). Dieser Auffassung hat sich der Senat in kürzlich ergangenen Entscheidungen angeschlossen (zuletzt KG, Beschl. vom 6.9.2007 - 2 W 147/07, mit näherer Begründung).

Der Mangel des Vorlageverfahrens führt jedoch nicht zu einer Unwirksamkeit der Nichtabhilfe- und Vorlageentscheidung. Das Beschwerdegericht ist folglich auch bei mangelhaftem Abhilfeverfahren zur Entscheidung über die Beschwerde befugt (ebenso: OLG Stuttgart, a.a.O.; KG, a.a.O.; Lipp in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. 2007, § 572 Rz. 14). Von seiner gleichwohl bestehenden Befugnis, die Sache an das Ausgangsgericht zur ordnungsgemäßen Bescheidung zurückzuverweisen (ebenso: OLG Stuttgart, a.a.O.; KG, a.a.O.; Lipp in MünchKomm/ZPO, a.a.O.), macht der Senat wegen der Eilbedürftigkeit der Sache vorliegend keinen Gebrauch, obgleich eine Zurückverweisung wegen der völligen Begründungslosigkeit der Nichtabhilfeentscheidung nicht fernliegend gewesen wäre.

2. Die sofortige Beschwerde ist nach § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 104 Abs. 3, ...

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