Leitsatz (amtlich)

Die pauschale Annahme, bei Verdacht von Alkohol- und Drogendelikten stets zur Anordnung einer Blutprobe berechtigt zu sein, begründet die Besorgnis einer dauerhaften und ständigen Umgehung des Richtervorbehalts und führt zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes

 

Tenor

  • 1.

    Der Betroffene wird freigesprochen

  • 2.

    Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.

 

Gründe

Dem Angeklagten lag auf Grund Bußgeldbescheids des Bayer. Polizeiverwaltungsamtes vom 03.01.2011 (1) - 7307-007799-10/ 2) zur Last, am 1.1.11.2010 um 16.20 Uhr als Führer des PKW xxxxx auf der Hauptstraße in Megesheim ein Kraftfahrzeug unter Wirkung eines berauschenden Mittels - nämlich THC in einem Messwert von 18,7 ng/ml, welcher deutlich oberhalb des empfohlenen Grenzwerts von 1,0 ng/ml liegt - geführt zu haben.

Von diesem Tatvorwurf war der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, weil das Ergebnis des Betäubungsmittelgutachtens vorn 26.11.2010 nicht verwertet werden kann, da die diesem Gutachten zu Grunde liegende Blutprobe dem Betroffenen unter Verletzung von § 81 a StPO entnommen wurde und dieser Umstand ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich des Betäubungsmittelgutachtens zur Folge hat. Da darüber hinausgehende - ohne Verletzung des § 81 a StPO ermittelte - Beweistatsachen für die Wirkung eines berauschenden Mittels auf den Betroffenen nicht zur Verfügung stehen, kann ein Tatnachweis nicht erbracht werden.

Der Zeuge Z, der polizeiliche Sachbearbeiter der verfahrensgegenständlichen Verkehrskontrolle und Anordnung der Blutprobenentnahme hat folgendes glaubhaft bekundet:

Nach Anhaltung des Fahrzeugs des Betroffenen im Rahmen einer Routinekontrolle habe er bei diesem Anzeichen für Drogenkonsum festgestellt. Dies habe er an dessen Augen bzw. der Pupillenreaktion wahrgenommen. Einen ihm angebotenen Drogenschnelltest habe der Betroffene dann verweigert. Er - der Zeuge habe dann - nachdem der Betroffene auch die freiwillige Abgabe einer Blutprobe verweigert habe, eine Blutentnahme angeordnet. Vor dieser Anordnung habe er keine richterliche Anordnung eingeholt bzw. eine Kontaktaufnahme zu einem Richter nicht versucht. Der Zeuge hat dies glaubhaft damit begründet, dass für ihn zum damaligen Zeitpunkt eine Anordnung des zuständigen Polizeipräsidiums gegolten habe, wonach bei dem Verdacht von Drogenkonsum grundsätzlich Gefahr im Verzug gegeben sei und daher eine richterliche Anordnung nicht erforderlich wäre. Im Hinblick auf diese generelle Anordnung habe er keine Kontaktaufnahme zum zuständigen Gericht unternommen.

Auf Grund dieser Einlassung des polizeilichen Sachbearbeiters, ist diesem persönlich keinerlei Vorwurf zu machen, weil er sich lediglich an die rechtlich nicht haltbare generelle Anordnung seines übergeordneten Dienstvorgesetzten gehalten hat, wonach beim Verdacht von Drogenkonsum grundsätzlich Gefahr im Verzug anzunehmen sei. In Umsetzung dieser Anordnung hat der Zeuge daher keine Kontaktaufnahme zum zuständigen Gericht gesucht, weil er davon ausging, dass ihm grundsätzlich eine Eilkompetenz aus § 81 a II StPO zustehe. Eine Reflektion des konkreten Einzelfalles auf das tatsächliche Bestehen von Gefahr im Verzug hat der Sachbearbeiter daher gerade nicht vorgenommen.

Somit liegt nicht erst in der konkreten Anordnung des zuständigen polizeilichen Sachbearbeiters eine Verletzung des Richtervorbehalts gemäß § 81 a II StPO sondern bereits in der generellen Anordnung der übergeordneten Polizeibehörde. Diese rechtsfehlerhafte generelle Anordnung führt jedoch zu einem besonders schwerwiegenden Verfahrensfehler, welcher wiederum ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht.

Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt vorliegenden Verfahrens grundsätzlich von anderweitigen Fällen, in welchen von der obergerichtlichen Rechtsprechung trotz Verstoßes gegen den Richtervorbehalt des § 81 a II StPO kein Beweisverwertungsverbot angenommen wurde. Denn in vorliegendem Verfahren beruht der Verstoß auf einer generellen Anordnung der übergeordneten Polizeibehörde, während es in den besagten anderen Verfahren um jeweils individuelle Fehleinschätzungen der zuständigen polizeilichen Ermittlungsperson ging.

Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung des OLG Köln in dessen Beschluss vom 26.08.2011 (III-1 RBs 201/11) zu einer völlig identischen Verfahrenskonstellation an und macht sich diese zu Eigen.

Das OLG Köln hat hierzu u.a. wie folgt ausgeführt:

"a)

Somit ist im Rahmen des § 81a Abs. 2 StPO für die im konkreten Einzelfall zu beurteilende Frage, ob die Ermittlungsbehörde eine richterliche Entscheidung rechtzeitig hätten erreichen können, der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Staatsanwaltschaft bzw. - wie hier - ihre Ermittlungspersonen eine Eingriffsmaßnahme in Form der Blutentnahme für erforderlich hielten (BGHSt 51, 285 [289] NJW 2007, 2269 = NStZ 2007, 601). Die mit der Sache befasste Ermittlungsperson muss zu diesem Zeitpunkt eine eigene Prognoseentscheidung zur mutmaßlichen zeitliche...

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