Nachgehend

LG München I (Beschluss vom 11.11.2011; Aktenzeichen 1 S 12752/11 WEG)

LG München I (Beschluss vom 18.10.2011; Aktenzeichen 1 S 12752/11 WEG)

 

Tenor

1. Der in der Eigentümerversammlung vom 19.07.2010 über die Installierung einer Kameraüberwachungsanlage der Tiefgarage gefasste Eigentümerbeschluss wird für ungültig erklärt.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist in Ziffer 2 vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

 

Tatbestand

Kläger und Beklagte bilden zusammen die oben näher bezeichnete Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der … verwaltet wird.

In der Eigentümerversammlung vom 19.07.2010 fasste die Gemeinschaft eine Reihe von Beschlüssen, von denen die Kläger den zu TOP 8 ergangenen angefochten haben (hinsichtlich des genauen Wortlauts wird auf den Auszug aus der Beschlusssammlung, vorgelegt als Anlage 2, Bezug genommen). Die Kläger tragen hierzu im Wesentlichen vor, dass bereits im April 2010 ohne entsprechenden Beschluss in der Tiefgarage eine Videoanlage, bestehend aus einer Kamera an der Einfahrt zur Tiefgarage und weiteren drei Kameras im ersten Tiefgaragengeschoß (1. UG) eingebaut wurde. Die Garage erstreckt sich über drei Etagen. Die insgesamt vorhandenen vier Kameras zielen auf die Rampe und das 1. UG. Die Tiefgarage diene der aus insgesamt acht oder neun Wohngebäuden bestehenden Wohngungseigentumsanlage, wobei aus jedem Gebäude jedes Geschoß der Tiefgarage jederzeit frei zugänglich sei. Die Aufzeichnungs- und Empfangsanlage der installierten Videoanlage befindet sich im Hausmeisterraum. In der Wohnanlage bzw. Tiefgaragenanlage finde sich nirgends ein Hinweisschild auf die Videoanlage. Ausweislich des Beschlusswortlauts sei schon keine Genehmigung dieser bereits vorhandenen Videoanlage erfolgt. Vielmehr solle eine (weitere?) Überwachungsanlage installiert werden. Die Regelung, dass Aufzeichnungen durch ein Passwort zu schützen seien, das für nichtlegitimierte Personen nicht eingesehen werden könne, sei viel zu unbestimmt. Auch die Dauer der Speicherung der Aufzeichnung jeweils für 72 Stunden sei viel zu lang.

Im Übrigen handle es sich bei der beschlossenen Maßnahme des Einbaus einer Videoüberwachung um eine bauliche Veränderung. Die Rechte der Kläger würden über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Es sei eine erhebliche Belästigung, auch im privaten Bereich mit Kameras verfolgt zu werden. Darüber hinaus widerspreche die Videoüberwachung auch den Bestimmungen des § 6 b BGSG. Ferner greife die Videoüberwachungsanlage in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger in seiner Ausprägung auf informationelle Selbstbestimmung ein. Ein überwiegendes Interesse der übrigen Wohnungseigentümer an Betrieb der Anlage könne nicht erkannt werden. Im Übrigen hätten weniger als die Hälfte aller Eigentümer dieser schwerwiegenden Maßnahme zugestimmt.

Die Kläger beantragen daher:

Wie zuerkannt.

Die Beklagten beantragen:

Klageabweisung.

Sie tragen im Wesentlichen vor, dass es vor der Installation der streitgegenständlichen Videoanlage diverse Einbrüche und Beschädigungen in der Tiefgarage gegeben habe. Für die Sicherheit der Bewohner und zur Abschreckung sei sodann durch die Verwaltung mit Zustimmung des Beirats die streitgegenständliche Videoanlage angebracht worden. Zur Anlage habe nur der Hausmeister Zugang. Das Passwort würde sich im Tresor der Hausverwaltung befinden. Eine zusätzliche Installation sei mit diesem Beschluss nicht gemeint gewesen. Nach der Auslegung handle es sich um die bereits installierte Anlage. Auch sei angesichts der relativ kleinen Anlage hierin keine bauliche Veränderung zu sehen. Da der Gemeinschaftsbereich durch die Gemeinschaft überwacht werden soll, sei eine Beeinträchtigung über § 14 Nr. 1 WEG hinaus für die Kläger nicht gegeben. Es handle sich nicht um einen öffentlich zugänglichen Raum und damit um eine Maßnahme des Hausrechts.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die eingereichen Schriftsätze und Unterlagen sowie die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom 02.03.2011 Bezug genommen.

Der in der mündlichen Verhandlung vom 02.03.2011 geschlossene widerrufliche Vergleich wurde von den Beklagten im Rahmen der Eigentümerversammlung nicht genehmigt. Der Vergleich wurde sodann von Beklagtenseite widerrufen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig gem. § 43 Nr. 4 WEG.

Sie ist auch vollumfänglich begründet.

Der streitgegenständliche zu TOP 8 gefasste Beschluss entspricht nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung.

Zum einen erfüllt er nicht die Vorgaben des § 6 b Abs. 2 BDSG. Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass die Anlage videoüberwacht wird. Der Beschluss ist auch zu unbestimmt: Der Kreis der legitimierten Personen ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des angefochtenen Beschlusses und kann auch nicht durch Auslegung zweifelsfrei festgelegt werden. ...

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