Gründe

Die Schuldnerin hat mit Schreiben v. 27.3.2012 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Zugleich wurde Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO beantragt und Antrag auf Maßnahmen nach § 270b InsO gestellt (sog. "Schutzschirmverfahren"). Rechtsanwalt W hat sich ausdrücklich zum Schuldnervertreter bestellt, eine schriftliche Vollmacht und die von ihm selbst ausgestellte Bescheinigung nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO vorgelegt. Der Eröffnungsantrag wird auf drohende Zahlungsunfähigkeit gestützt. Als vorläufiger Sachwalter wird Rechtsanwalt P vorgeschlagen.

Was die Person des Ausstellers der genannten Bescheinigung angeht, ist im Gesetz lediglich geregelt, dass diese nicht zugleich zum vorläufigen Sachwalter bestellt werden kann, § 270b Abs. 2 Satz 1 InsO. Dies genügt jedoch nicht. Bei dem Aussteller der Bescheinigung muss es sich weitergehend um eine unabhängige und neutrale Person handeln. Es sind ähnlich strenge Anforderungen zu stellen wie bei der Auswahl eines vorläufigen Insolvenzverwalters nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 1 und 56 Abs. 1 InsO.

Dies ergibt sich zum einen daraus, dass es sich bei der Bescheinigung nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO um eine Art Kurzgutachten zu insolvenzrechtlichen Fragestellungen (Eröffnungsgrund, Erfolgsaussichten der angestrebten Sanierung) handelt. Zum anderen dient das mit der Bescheinigung eingeleitete Schutzschirmverfahren letztlich der Vorbereitung eines Insolvenzplanverfahrens. Ziel des Insolvenzverfahrens ist nach § 1 InsO die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger, ggf. unter Erhalt des schuldnerischen Unternehmens. Damit ist nicht vereinbar, wenn der Aussteller der Bescheinigung zugleich als Schuldnervertreter auftritt. Anderenfalls könnte auch jeder Schuldnervertreter in einem Insolvenzverfahren mit Eigenantrag die Bestellung zum Insolvenzgutachter begehren - ein unhaltbarer Zustand. Da die Reform des Insolvenzrechts erst kürzlich in Kraft getreten ist, gibt es zu dieser Problematik noch keine obergerichtliche Rechtsprechung. Das Gericht folgt jedoch den überzeugenden Ausführungen des Verfassers Dr. Gerrit Hölzle in ZIP 4/2012, 158 ff. hierzu.

Die Bescheinigung ist weiter von einem "in Insolvenzsachen erfahrenen (...) Rechtsanwalt" oder "einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen". Das Gericht hat erhebliche Bedenken, ob diese Voraussetzungen in der Person hier gegeben sind. Zwar ist der Aussteller der Bescheinigung ohne Zweifel FAInsR und war viele Jahre als Insolvenzverwalter tätig. Auch ist er am AG München nach wie vor gelistet. Unstreitig ist aber auch, dass der Betreffende seit 2007 nicht mehr als Insolvenzverwalter bestellt wird. Seitdem hat das Insolvenzrecht zahlreiche, z.T. ganz erhebliche Änderungen erfahren.

Das Gericht hatte seine Bedenken gegen den Antrag nach § 270b InsO dem Schuldnervertreter schriftlich mitgeteilt, der Schuldnervertreter hat diese mit Schriftsatz vom heutigen Tag nur teilweise ausgeräumt, den Antrag jedoch nicht zurückgenommen. Für eine "persönliche Besprechung", wie vom Schuldnervertreter gewünscht, sieht das Gericht keine Veranlassung, zumal es sich bei dem Insolvenzantragsverfahren um ein schriftliches Verfahren handelt und es hier ausschließlich um Rechtsfragen geht.

Der Antrag nach § 270b InsO war folglich zurückzuweisen. Damit steht ein Insolvenzeröffnungsantrag der Schuldnerin mit Antrag auf Eigenverwaltung im Raum. Das Gericht hat deshalb von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht einen (unabhängigen) Sachverständigen zu bestellen, § 5 Abs. 1 InsO.

Angesichts des Antrags auf Eigenverwaltung und des laufenden Geschäftsbetriebs hat die Schuldnerin noch die Angaben nach § 13 Abs. 1 Satz 3 - 5 und 7 InsO zu machen, vgl. § 13 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 InsO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3956305

NWB 2012, 1726

EWiR 2012, 465

StuB 2012, 495

ZIP 2012, 789

NZI 2012, 566

ZInsO 2012, 745

NWB direkt 2012, 568

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