Entscheidungsstichwort (Thema)

Möglichkeiten der Beratungshilfe bei außergerichtlichem Schuldenbereinigungsverfahren. Besondere Qualifikation der Schuldnerberatungsstellen wegen ihres umfassenden Ansatzes für die außergerichtliche Schuldenbereinigung. Subsidiarität der Beratungshilfe gegenüber anderen Hilfsmöglichkeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine andere Möglichkeit zur Hilfe i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG stellen für die Durchführung von außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO primär die Schuldnerberatungsstellen dar. Dafür kommen auch für spezielle Schuldnergruppen organisierte, gemeinnützige Vereine in Betracht.

2. Schuldnerberatungsstellen sind wegen ihres umfassenden Ansatzes für die außergerichtliche Schuldenbereinigung besonders qualifiziert. Auch wenn sie keine Vorortberatungen in der Haftanstalt durchführen, ist die Möglichkeit begleiteter Ausgänge des Strafgefangenen in Betracht zu ziehen.

3. Die Gleichsetzung von Rechtsanwälten und Schuldnerberatungsstellen in § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist auf die beratungshilferechtliche Norm nicht übertragbar, weil abgesehen von den unterschiedlichen Zielrichtungen der beiden Gesetze, Beratungshilfe gegenüber anderen Hilfsmöglichkeiten nur subsidiär gewährt wird.

 

Normenkette

BerHG § 1 Abs. 1 Nr. 2; InsO § 305 Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

1. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

2. Der Erinnerungsführer hat die Kosten der Erinnerung zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Unter dem 14.12.2009, eingegangen beim Amtsgericht Mannheim am 13.01.2010, hat der Erinnerungsführer Beratungshilfe für ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren gemäß § 305 InsO beantragt. Der Beratungshilfeschein sollte der Rechtsanwaltskanzlei … mit Sitz in U. übersandt werden. Unter dem 03.02.2010 wurde der Erinnerungsführer um Mitteilung des letzten Wohnsitzes vor der Inhaftierung mit Blick auf eine möglicherweise bestehende örtliche Unzuständigkeit des Amtsgerichts Mannheim gebeten. Der Erinnerungsführer reagierte hierauf nicht. Unter dem 01.04.2010 erkundigte sich RA … nach dem Sachstand. Daraufhin wurde diesem das Schreiben vom 03.02.2010 erneut übersandt. Die Anfrage wurde unter dem 28.04.2010 beantwortet. Nach weiteren Sachstandsanfragen wurde der Vertreter des Erinnerungsführers mit Schreiben vom 15.07.2010 darauf hingewiesen, dass als andere Möglichkeit für eine Hilfe i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG die Schuldnerberatungsstellen zur Verfügung stünden. Dabei wurden die drei in Mannheim ansässigen, gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen benannt. Der Vertreter des Erinnerungsführers wies mit Schreiben vom 23.07.2010 darauf hin, dass ein uneingeschränktes Wahlrecht zwischen Rechtsanwalt und Schuldnerberatungsstelle bestehe. Im Übrigen könne der Erinnerungsführer, da er in der Justizvollzugsanstalt inhaftiert sei, keine Hilfe von Schuldnerberatungsstellen in Anspruch nehmen. Eine Schuldnerberatungsstelle habe bestätigt, dass aufgrund personeller und organisatorischer Umstrukturierungen sowie mangelnder Refinanzierungen Gefangene in der Justizvollzugsanstalt Mannheim nicht vertreten würden. Ebenso habe eine weitere Beratungsstelle eine Schuldnerberatung abgelehnt. Die XY-Beratungsstelle sei nicht kontaktiert worden, weil sie nur Selbständige und ehemals Selbständige vertrete. Im Übrigen sei in vergleichbaren Fällen Beratungshilfe gewährt worden.

Mit Beschluss vom 20.09.2010 wurde der Antrag vom 14.12.2009 zurückgewiesen. Der Erinnerungsführer habe keine Angaben über eine Kontaktaufnahme mit den ortsansässigen Schuldnerberatungsstellen getätigt. Dagegen legte der Vertreter des Erinnerungsführer mit Schreiben vom 25.10.2010 Erinnerung ein. Diesem fügte er zwei Schreiben von Schuldnerberatungsstellen vom 28.07.2010 und vom 20.11.2009 bei, die in allgemeiner Form darauf hinweisen, dass Vor-Ort-Beratungen in der Justizvollzugsanstalt Mannheim nicht stattfinden. Mit Beschluss vom 14.12.2010 wurde der Erinnerung nicht abgeholfen. Zur Begründung wurde darauf abgestellt, dass in der Justizvollzugsanstalt Mannheim auch andere gemeinnützige Schuldnerberatungsstellen wie der „XY-Verein zur Entschuldung Straffälliger e.V.” tätig seien, der die kostenlose Durchführung außergerichtlicher Schuldenbereinigungsverfahren anbiete und deren vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder u.a. der Vertreter des Erinnerungsführer, RA …, seien.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 6 Abs. 2 BerHG zulässige Erinnerung war zurückzuweisen. Der Erinnerungsführer hat keinen Anspruch auf Beratungshilfe. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG wird Beratungshilfe nur gewährt, wenn keine anderen Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist. Für ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO stehen primär die Schuldnerberatungsstellen als andere Möglichkeit zur Hilfe gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG zur Verfügung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.09.2006 – 1 BvR 1911/06, zitiert nach […] Rn. 8 m.w.N.; AG Halle, Beschluss vom 21.09.2010 – 103 II ...

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