Entscheidungsstichwort (Thema)

Freigabe eines Vermögensgegenstandes mit Wirkung der Beendigung des Insolvenzverfahrens. Wohnungseigentums der antragsgegnerischen Gemeinschuldnerin. Eingetragener Wohnungseigentümer als Schuldner der Hausgeldforderung. Der Ertrag übersteigende Verwaltungskosten. Erlöschen der Verpflichtung aus der Eigentümerstellung als die Masse entlastender Effekt. Gesetzliche Grundlage für eine mit der Freigabe verbundene Haftungsbeschränkung

 

Normenkette

ZPO § 240; WEG § 16 Abs. 2; InsO §§ 60-61, 208-209, 32 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Entscheidung vom 20.08.2003; Aktenzeichen 24 W 142/02)

BGH (Entscheidung vom 13.01.1983; Aktenzeichen III ZR 88/81)

 

Tenor

Der Antrag, den unterbrochenen Rechtsstreit aufzunehmen, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Mitglieder der Wohnanlage … Am 1.12.2000 wurde über das Vermögen der Antragsgegnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Auf Antrag der Antragsteller erging am 2.12.2003 Mahnbescheid gegen die Antragsgegnerin, der ihr am 13.12.2003 zugestellt wurde. In ihm machen die Antragsteller Rückstände aus den Jahresabrechnungen 2001/2002 und 2002/2003 sowie Vorschüsse auf die Wirtschaftspläne für die Monate Juli 2003 bis einschließlich Juni 2004 in der Gesamthöhe von EUR 7.582,41 geltend. Diese Ansprüche wurden im Wesentlichen durch Beschlüsse der Gemeinschaft in der Zeit vor Februar 2004 begründet bzw. sind vor diesem Zeitpunkt fällig geworden. Der Insolvenzverwalter der Antragsgegnerin bestellte sich zum Verfahrensbevollmächtigten, verwies auf die Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO und forderte die Antragsteller zur Anmeldung ihrer Ansprüche zur Insolvenztabelle auf. Fürsorglich erhob er Widerspruch. Mit Schreiben vom 2.2.2004 erklärte der Insolvenzverwalter die Freigabe der Eigentumswohnung und verwies darauf, dass der Antragsgegnerin die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Wohnung wieder in vollem Umfange zustehe. Mit Verfügung vom 17.5.2004 gab das Mahngericht das Verfahren an das hiesige für Wohnungseigentumssachen zuständige Gericht ab. Mit Verfügung vom 21.6.2004 wurde die Unterbrechung des Verfahrens vermerkt.

Nach Vorlage der Anspruchsbegründung begehren die Antragsteller ihre Zustellung an die Antragsgegnerin zu veranlassen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Freigabe eines Vermögensgegenstandes – hier des Wohnungseigentums der antragsgegnerischen Gemeinschuldnerin – hat die Wirkung der Beendigung des Insolvenzverfahrens „in Ansehung dieses Gegenstandes” (RG 79, 27, 30). Der Gemeinschuldner tritt in einem Rechtsstreit „bezüglich dieses Gegenstandes11 an die Stelle des Verwalters (RG a.a.O.; BGH, NJW 1966, 51) und die Folgen der Prozessführung treffen das durch die Freigabe insolvenzfrei gewordene Vermögen (Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 240 Rdnr. 11). Dem vorliegenden Rechtsstreit liegen keine Ansprüche „in Ansehung” des Wohnungseigentums der Gemeinschuldnerin zu Grunde.

Streitgegenstand sind Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 16 Abs. 2 WEG. Diese sind keine dinglichen Lasten (Bub in: Staudinger, BGB 12. Aufl., § 16 Rdnr. 99), sondern eine originär aus der jeweiligen Beschlussfassung der

Wohnungseigentümer entspringende Verbindlichkeit des einzelnen Wohnungseigentümers (Bub a.a.O., § 28 Rdnr. 155; Weitnauer/Hauger, WEG, 8. Aufl., § 28 Rdnr. 1). Schuldner der Hausgeldforderung ist der eingetragene Wohnungseigentümer (Bub a.a.O. Rdnr. 165; Weitnauer/Hauger, a.a.O. Rdnr. 6).

Es findet daher keine rechtliche Auseinandersetzung „bezüglich des” Wohnungseigentums statt, sondern sie dreht sich um die finanziellen Folgen, die dem jeweiligen Eigentümer daraus erwachsen. Wenn auch der Entstehungsgrund der Hausgeldforderung auf der Eigentümerstellung fußt, so richtet sich der Anspruch gegen den eingetragenen Wohnungseigentümer. Ansprüche gegen ihn sind aus der Masse zu befriedigen. Die Unterbrechung des § 240 ZPO erfasst deswegen den vorliegenden Rechtsstreit (BGH, ZIP 2004, 769).

Dabei wird nicht verkannt, dass sich die Freigabe bis zu einer gemäß §§ 60, 61 InsO sanktionierten Verpflichtung des Insolvenzverwalters verdichten kann, namentlich bei Immobilien, die keine Mehrung des Aktivvermögens erwarten lassen, weil die Verwaltungskosten den Ertrag übersteigen (Depre/Kothe in: Beck/Depre, Praxis der Insolvenz, § 23 Rdnr. 101). Der die Masse entlastende Effekt besteht darin, die aus der Eigentümerstellung erwachsenden Verpflichtungen nicht mehr erfüllen müssen (Ringstmeierln: Beck/Depre, § 15 Rdnr. 122). Das ist für Realsteuern, wie etwa der Grundsteuer unbestritten (Lwowski in: Münchener Kommentar zur InsO, § 35 Rdnr. 90; Förster, InsO 2000, 315, 316), für die vorliegende Fallkonstellation aber abzulehnen.

Durch die Freigabe wird die Insolvenzmasse von Verbindlichkeiten frei, die sich auf das freigegebene Recht beziehen, in erster Linie den dinglichen Belastungen. Die Verbindlichkeiten gegenüber der Masse erlöschen jedoch nicht, wenn sie an die Rechtsinhaberschaft anknüpfen und dafür das ges...

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