Tenor

Die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft A.straße in S. aus der Eigentümerversammlung vom 21.05.2020 zu den Tagesordnungspunkten 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 sind nichtig.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verwalter.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Ungültigerklärung bzw. die Feststellung der Nichtigkeit von Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft aus der Eigentümerversammlung vom 21.05.2020.

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft A.straße in S. Zum Verwalter ist Herr E. bestellt. Die Bestellzeit lief aufgrund Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 12.06.2018 bis zum 31.12.2020.

Der Verwalter lud mit Schreiben vom 06.05.2020 zur „Eigentümerversammlung im Vollmachtsverfahren” am 21.05.2020 in sein Büro ein. In dem Einladungsschreiben wurde darauf hingewiesen, dass wegen der Corona-Krise das Büro für den Publikumsverkehr geschlossen sei und Eigentümerversammlungen mit persönlicher Anwesenheit wegen der Kontaktsperre nicht stattfinden können. Die Wohnungseigentümer wurden aufgefordert, dem Verwalter Vollmacht zu erteilen und auf einem beigefügten Protokoll ihre Abstimmungswünsche anzukreuzen. Weiter heißt es in dem Einladungsschreiben:

„Bitte erscheinen Sie nicht persönlich zur Eigentümerversammlung.” Zum weiteren Inhalt der Einladung wird auf Bl. 7-8 d.A. Bezug genommen.

In der Eigentümerversammlung am 21.05.2020 war ausschließlich der Verwalter anwesend. Die Beklagten zu 3.-6., die einen Stimmanteil von 600/1000 Miteigentumsanteilen innehaben, hatten dem Verwalter Vollmacht erteilt und ihre Abstimmungswünsche mitgeteilt. Dementsprechend wurden zu den Tagesordnungs-punkten 2-8 Beschlüsse gefasst, wobei die Beschlussanträge zu den Tagesordnungspunkten 2-6 angenommen, die Beschlussanträge zu den Tagesordnungs-punkten 7-8 abgelehnt wurden.

Die Kläger behaupten, den Verwalter mit anwaltlichem Schreiben vom 13.05.2020 darauf hingewiesen zu haben, dass die beabsichtigte Durchführung der Eigentümerversammlung im Vollmachtsverfahren unzulässig sei. Sie halten sämtliche Beschlüsse wegen Verstoßes gegen ihr Teilnahmerecht an der Eigentümerversammlung für unwirksam bzw. nichtig.

Die Kläger beantragen,

die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft A.straße 1a in S. aus der Wohnungseigentümerversammlung vom 21.05.2020 insgesamt für ungültig/nichtig zu erklären.

Die Beklagten zu 3.-6. beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 1. und 2. beantragen,

  1. zu erkennen, was Rechtens ist,
  2. die Kosten des Rechtsstreits dem Verwalter aufzuerlegen.

Die Beklagten zu 1.-2. teilen die Rechtsansicht der Kläger.

Die übrigen Beklagten halten die Beschlüsse für wirksam, da die Kläger ihr Stimmrecht durch die Erteilung einer Vollmacht und Mitteilung ihrer Abstimmungswünsche hätten ausüben können.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Die in der Eigentümerversammlung gefassten bzw. abgelehnten Beschlüsse sind nichtig, § 23 Abs. 4 S. 1 WEG.

Die Beschlüsse verstoßen gegen § 23 Abs. 1 WEG.

Beschlüsse einer Eigentümerversammlung sind nichtig, wenn sie in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreifen. Zu dem Kernbereich des Wohnungseigentums gehören das Recht der Wohnungseigentümer, an der Eigentümerversammlung teilzunehmen (Merle in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 23 Rn. 140, 140a).

Vorliegend wurde den Wohnungseigentümern durch die Form der Ladung eine Teilnahme an der Eigentümerversammlung letztlich verwehrt. Das Einladungsschreiben, in dem darauf hingewiesen wird, dass eine Eigentümerversammlung „im Vollmachtsverfahren” stattfinden soll, das Büro des Verwalters für Publikumsverkehr geschlossen ist, Versammlungen mit persönlichem Erscheinen der Wohnungseigentümer wegen der Kontaktsperre bzw. der Abstandsregelungen nicht stattfinden können und die Adressaten der Einladung unmissverständlich gebeten werden, nicht persönlich zur Eigentümerversammlung zu erscheinen, sondern eine Vollmacht an den Verwalter zu erteilen und ihr Stimmrecht schriftlich auszuüben, stellt sich im Ergebnis als „Ausladung” der Wohnungseigentümer dar. Jedenfalls durften und mussten die Wohnungseigentümer die Einladung allein dahin verstehen, dass ihnen die persönliche Teilnahme an der Eigentümerversammlung verwehrt wird. Dem steht nicht entgegen, dass ein ausdrückliches Verbot der Teilnahme nicht formuliert wurde. Aus der Gesamtschau der o.a. Ladungsinhalte mussten die Wohnungseigentümer annehmen, dass sie an der Eigentümerversammlung nicht teilnehmen können, da diese im Büro des Verwalters stattfand und dieses „für den Publikumsverkehr” geschlossen war. Es bedurfte mithin keiner persönlichen Abweisung derjenigen Wohnungseigentümer, die persönlich zur Eigentümerversammlung erschienen und an dieser hätten teilnehmen wollen.

Diese Form der Einladung verletzte die Wohnungseigentümer im Kernbereich ihrer Rechte, nämlich dem Recht auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung und Ausübung des Stimmrechts. Zwar konnte...

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