rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bauordnungsrechtlich notwendige Maßnahmen einer Wohnungseigentümergemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Schon die Ankündigung des Erlasses einer bauordnungsrechtlichen Verfügung kann das den Wohnungseigentümern bei der Entscheidung über eine zu treffende Verwaltungsmaßnahme zustehende Auswahlermessen auf null reduzieren.

2. Die Beseitigung anfänglicher Baumängel der Wohnungseigentumsanlage zur Herstellung eines bereits bei Begründung der Wohnungseigentümergemeinschaft fehlenden bauordnungsrechtlich zulässigen Zustandes des Gemeinschaftseigentums (hier Erstellung eines fehlenden zweiten Rettungsweges) ist grundsätzlich eine Verpflichtung der Wohnungseigentümergemeinschaft, so dass auch die dadurch entstandenen Kosten nach dem Grundsatz des § 16 Abs. 2 WEG von allen Wohnungseigentümern zu tragen sind. Bei dieser insofern nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlichen baulichen Maßnahme und deren Kosten handelt es sich nicht um eine Instandsetzung im Sinne des § 16 Abs. 4 WEG.

 

Normenkette

WEG §§ 16, 21 Abs. 5 Nr. 2, § 22; BauO NRW § 17 Abs. 3

 

Tenor

Der im schriftlichen Verfahren gefasste und am 27.02.2016 verkündete Umlaufbeschluss – „2016 – 01 – TOP zweiter Rettungsweg Wohnung Nr. W1 (C)” – wird für ungültig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstaats werden den Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft A-Straße …/…b in … I. Die Klägerin ist bei 15/100stel Miteigentumsanteilen Sondereigentümerin der im 1. und 2. Obergeschoss des Hauses A-Straße …ba gelegenen Wohnung Nr. W1. Nach Ziffer 11.3 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung obliegt die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung u.a. von Fenstern dem jeweiligen Raumeigentümer, in dessen Sondereigentumsbereich sich diese Gebäudeteile befinden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die betreffenden Teile gemeinschaftliches Eigentum oder Sondereigentum sind.

Aufgrund eines Schreibens des Bauaufsichtsamtes der Stadt I vom 09.10.2015 wurde den Eigentümern und der beigeladenen Verwaltung bekannt, dass für die Sondereigentumseinheit der Klägerin der nach der Bauordnung NRW vorgeschriebene zweite Rettungsweg fehlt und geschaffen werden muss. Die Verwaltung holte daraufhin bei zwei Bauunternehmungen Angebote über die Schaffung dieses zweiten Rettungsweges ein. Am 24.12.2015 fassten die Parteien im Umlaufverfahren einen Beschluss, nach dessen Inhalt ein zweiter Rettungsweg für die Wohnung Nr. W1 der Klägerin im zweiten Stockwerk durch Einbau eines Fensters unter Beauftragung der Firma L. gemäß deren Angebot vom 23.11.2015 über 3.148,74 EUR brutto geschaffen werden soll und diese Kosten abweichend von der Verteilung nach Miteigentumsanteilen die Klägerin als Eigentümerin der Wohnung Nr. W1 allein zu tragen habe. Diesen Beschluss hat die Klägerin im Verfahren 64 C 2/16 des erkennenden Gerichts angefochten. Dem Angebot der Firma L. vom 23.11.2015 lag die Planung zu Grunde, das Fenster im Flurbereich der Wohnung der Klägerin einzubauen.

Nach zwei erneuten Ortsterminen in der Wohnung der Klägerin Ende Januar und Anfang Februar 2016 erstattete die Firma L. unter dem 15.02.2016 ein neues Angebot über den Einbau des Fensters für den zweiten Rettungsweg nunmehr im Wohnzimmer der Wohnung der Klägerin mit Gesamtkosten von 5.620,37 EUR. Auf der Grundlage dieses Angebots fassten die Parteien wiederum im schriftlichen Umlaufverfahren am 27.02.2016 zum TOP „zweiter Rettungsweg Wohnung Nr. W1 (C)” folgenden Beschluss:

  1. Die Eigentümergemeinschaft beschließt, einen zweiten Rettungsweg für die Wohnung Nr. W1 (A-Straße … b, Eigentümerin Frau C.) dort im zweiten Stockwerk errichten zu lassen. Das Fenster wird zur Wahrung der Symmetrie mittig in die obere Geschosslage des Hauses A-Straße … b eingebaut (Anlage Ansicht). Nach beiden Seiten soll der gleiche Abstand von der jeweiligen Hauskante bis zum Fenster eingehalten werden. Der Verwalter wird entsprechend dieser Maßgabe beauftragt, die Errichtung durchführen zu lassen. Die Gemeinschaft beschließt, die Firma L. gemäß dem Angebot Nr. 2289/15 vom 15.02.2016 über 5.620,37 EUR brutto zu beauftragen.
  2. Die Eigentümergemeinschaft beschließt, dass abweichend von einer Verteilung nach Miteigentumsanteilen die Eigentümerin der Wohnung Nr. W1 A-Straße …b, Frau C, die Kosten der unter a) beschlossenen Errichtung eines zweiten Rettungsweges trägt.

Die Gemeinschaft beschließt weiterhin, dass die unter a) beschlossenen Maßnahmen zunächst von der Gemeinschaft aus der Instandhaltungsrücklage vorfinanziert werden. Die Erstattung der Kosten wird der Verwalter erst nach Bestandskraft gegenüber Frau C. geltend machen.””

Diesen Beschluss hat die Klägerin mit am 24.03.2016 bei Gericht eingegangener Klage angefochten und die Anfechtungskl...

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