Leitsatz (amtlich)

Ein Unfallgeschädigter, der auf Gutachtenbasis abrechnet, muss sich vom Schädiger bzw. der hinter diesem stehenden Haftpflichtversicherung nicht darauf erweisen lassen, dass das Fahrzeug preiswerter in einer markenungebundenen (freien) Fachwerkstatt repariert werden könnte. Es kommt dabei weder auf das Alter des Fahrzeuges noch auf die Frage an, ob dieses bis zum Unfall in markengebundenen Fachwerkstätten gewartet oder gegebenfalls repariert wurde (gegen BGH, Urteil vom 20.10.2009 - VI ZR 53/09 - sog. "VW-Urteil"; vgl.auch BGH, Urteil vom 23.2.2010 - VI ZR 91/09 -; Fortführung von AG Kerpen, 104 C 477/09, Urteil vom 6.7.2010).

Die vom BGH vorgenommene Differenzierung vermag nicht zu überzeugen. Bei ihr wird auch verkannt, dass es bei einer Abrechnung auf Gutachtenbasis nicht auf einer individuell möglicherweise günstigere Reperaturmöglichkeit ankommen kann. Dem Schädiger bzw. der Haftpflichtversicherung bleibt in solchen Fällen nur der Einwand, dass bei einer standardisierten Betrachtung die in dem Gutachten ausgewiesenen Schadenbeträge überhöht sind und nicht als ortsüblich angesehen werden können.

Der Rechtsprechung des BGH steht auch entgegen, dass der Geschädigte eben statt der Herstellung (vgl. § 249 Abs. 1 BGB) den dazu erforderlichen Geldbetrag soll verlangen können. Dem Geschädigten soll durch diese Regelung gerade nicht zugemutet werden, dem Schädiger das verletzte Rechtsgut zur Naturalrestitution anzuvertauen. Gleiches hat dann aber auch für die hinter den Schädiger stehende Haftpflichtversicherung bzw. eine von dieser ausgesuchten Werkstatt zu gelten.

 

Tenor

Die Beklagte verurteilt, an den Kläger 736,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.3.2011 sowie nicht anrechnungsfähige außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 43,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.8.2011 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger macht restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 23.2.2011 gegen die Beklagte geltend. Die Haftung der Beklagten steht dem Grunde nach nicht im Streit.

Zur Feststellung der Höhe des entstandenen Sachschadens gab der Kläger ein Gutachten bei der Firma R. in Kerpen in Auftrag. Der Sachverständige ermittelte die Höhe der erforderlichen Reparaturkosten mit 2257,34 € (netto). Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf dieses Bezug genommen (vgl. Bl. 7 ff. GA). Unter Berücksichtigung einer bei Durchführung der Reparatur sich ergebenden Wertverbesserung in Höhe von 100 € hat der Kläger seiner Schadensberechnung einen Sachschaden in Höhe von 2157,34 € zu Grunde gelegt. Für die Erstellung des Gutachtens hatte der Kläger 556,92 € aufzuwenden. Als allgemeine Kostenpauschale begehrt er einen Betrag in Höhe von 25 € (vgl. zu einer weiteren Schadenposition noch weiter unten).

Vor der Klageerhebung ließ die Beklagte ihrerseits unter dem 25.3.2011 ebenfalls ein Gutachten zur Ermittlung der erforderlichen Reparaturkosten erstellen (vgl. Bl. 28 ff. GA). Folgt man dem vorgerichtlichen Schreiben der Beklagten vom 1.4.2011 (vgl. Bl. 25 f. GA), so belaufen sich die Reparaturkosten gemäß diesem Gutachten nur auf 1775,35 € (inklusive 283,46 € an Mehrwertsteuer). Auszugsweise heißt es sodann ergänzend in dem bezeichneten Schreiben:

"Stundenverrechnungssätze:

Die Stundenverrechnungssätze einzelner Fach- und Vertragswerkstätten weisen zum Teil erhebliche Unterschiede auf. Zwar genügt es in der Regel, die erforderlichen Reparaturkosten anhand der vorgelegten Unterlagen zu beziffern und hierbei die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde zu legen. Da das beschädigte Fahrzeug älter als 3 Jahre ist, müssen Sie sich jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bei einer Abrechnung auf Basis eines Gutachtens/Kostenvoranschlags auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit, die mühelos, ohne weiteres zugänglich und gleichwertig ist, verweisen lassen (BGH NJW 2003, 2086 und BGH VI ZR 53/09 vom 20.10.2009).

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