Leitsatz (amtlich)

Im eröffneten Insolvenzverfahren ist die Pfändung von Mietforderungen des Schuldners aufgrund eines titulierten dinglichen Anspruchs durch einen absonderungsberechtigten Grundpfandrechtsgläubiger unzulässig.

 

Tenor

1. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Hamburg (Geschäfts-Nr. 617 b M 680/05) vom 26. Juli 2005 wird aufgehoben.

2. Es wird angeordnet, daß die Wirkungen dieses Beschlusses erst mit dessen Rechtskraft eintreten.

 

Tatbestand

I. Mit notarieller Urkunde vom 26. September 2001 (UR-Nr. 182/2001 des Notars Dr. O.) bestellte der Schuldner zugunsten der Bausparkasse X (kurz: „Gläubigerin”) an seinem Wohnungseigentum in W. eine Grundschuld in Höhe von DM 138.000,– und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum aus der Grundschuld. Am 30. Juli 2004 eröffnete das Insolvenzgericht Hamburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den Erinnerungsführer, Rechtsanwalt Dr. S., zum Treuhänder. Am 29. März 2005 wurde die notarielle Urkunde hinsichtlich der Zwangsvollstreckungsunterwerfung gegen den Treuhänder umgeschrieben. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 26. Juli 2005 pfändete die Gläubigerin aufgrund der Zwangsvollstreckungsunterwerfung aus der notariellen Urkunde unter Berufung auf den „dinglichen Titel” die aus der Vermietung des o.g. Wohnungseigentums resultierenden Mietforderungen und ließ sie sich zur Einziehung überweisen. Hiergegen legte der Treuhänder Erinnerung ein, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

II. Auf die Erinnerung, über die das Insolvenzgericht nach § 89 Abs. 3 InsO zu entscheiden berufen ist

(vgl. Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl. 2003, § 89, Rn. 25),

ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Hamburg (Geschäfts-Nr. 617 b M 680/05) vom 26. Juli 2005 aufzuheben. Die Pfändung und Überweisung ist unzulässig.

1. Die Unzulässigkeit der Pfändung und Überweisung ergibt sich aus § 49 InsO.

Danach sind „Gläubiger, denen ein Recht auf Befriedigung aus Gegenständen zusteht, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen (unbewegliche Gegenstände), […] nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zur abgesonderten Befriedigung berechtigt.”

Das Absonderungsrecht der Gläubigerin berechtigt nicht zur Pfändung und Überweisung der Mietforderungen. Weitere als die in § 49 InsO zugelassenen Vollstreckungsmöglichkeiten stehen dem Absonderungsberechtigten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zu

(so auch RG, RGZ 52, 138; OLG Dresden, Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts, Bd. 15 (1907), 285; OLG Braunschweig, Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts, Bd. 10 (1905), 419 f.; Stillschweig, JW 1917, 895; a.A. OLG München, Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts, Bd. 29 (1914), 245); AG Rosenheim, ZInsO 2000, 291 f.; LG Traunstein, NZI 2000, 438; LG Chemnitz, Rpfleger 2004, 234; Wolfsteiner, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Neubearbeitung 2002, § 1123, Rn. 20).

a) Die §§ 49 ff. InsO und §§ 165 ff. InsO gestatten die Durchsetzung von Absonderungsrechten an Immobilien – unabhängig von der Möglichkeit der Vereinbarung einer freihändigen Verwertung – ausschließlich durch Immobiliarzwangsvollstreckung. § 49 InsO begrenzt nach seinem Wortlaut die Vollstreckungsalternativen des Absonderungsberechtigten auf Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, wobei lediglich die Zwangsverwaltung zur Erlangung der Mietforderungen geeignet ist. Vergleicht man den Wortlaut des § 49 InsO mit der Vorgängernorm des § 47 KO, unterstützt der nunmehr ausdrückliche Verweis auf das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung die Auslegung des § 49 InsO, daß der Absonderungsberechtigte „nur nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zur abgesonderten Befriedigung berechtigt ist”. Auch die Zusammenschau der §§ 49 und 165 InsO spricht dafür, den Absonderungsberechtigten auf eben jene Wege der Verwertung zu verweisen, die § 165 InsO dem Insolvenzverwalter – wenn auch grundsätzlich nicht dem Treuhänder (§ 313 Abs. 3 InsO) – zubilligt: Immobiliarvollstreckung durch Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung. Für die Zulässigkeit der Pfändung kann auch nicht der Rechtszustand unter der Konkursordnung und, daß der Gesetzgeber der Insolvenzordnung diesen nicht habe ändern wollen, eingewandt werden

(so aber LG Traunstein, NZI 2000, 438),

da die Zulässigkeit der Pfändung auch unter der Konkursordnung durchaus verneint wurde

(RG, RGZ 52, 138; OLG Dresden, Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts, Bd. 15 (1907), 285; OLG Braunschweig, Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts, Bd. 10 (1905), 419 f.; Stillschweig, JW 1917, 895; a.A. OLG München, Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Geb...

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