Leitsatz (amtlich)

1. Nach Freigabe des Geschäftsbetriebes kann auf Antrag eines Neugläubigers ein Zweitinsolvenzverfahren eröffnet werden.

2. Voraussetzung ist, dass eine die Verfahrenskosten deckende Haftungsmasse vorhanden ist.

3. Fehlt es daran, muss der Schuldner nicht gem. § 20 InsO über die Möglichkeit von Restschuldbefreiung und Stundungsantrag belehrt werden.

 

Tenor

Der Antrag vom 08.07.2011 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Gegenstandswert wird auf bis zu 2.000 EURO festgesetzt.

 

Gründe

I. Über das Vermögen des Schuldners ist am 05.05.2009 unter Bewilligung von Stundung das Insolvenzverfahren eröffnet und bislang nicht aufgehoben worden (71 IN 55/09 AG Göttingen). Am 18.05.2009 gab die Insolvenzverwalterin den Geschäftsbetrieb frei. Mit Bescheid vom 08.07.2011 sprach der Landkreis Northeim eine Gewerbeuntersagung gem. § 35 GewO aus und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit an. Der Schuldner stellte das Gewerbe zum 14.07.2011 vollständig ein und meldete es ab. Am 08./18.07.2011 stellte die Antragstellerin wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum Juni 2010 bis April 2011 in Höhe von 10.574,01 € Insolvenzantrag und teilte mit, zur Zahlung eines Kostenvorschusses nicht bereit zu sein. Der Sachverständigen schlägt im Gutachten vom 12.09.2011 unter Feststellung von Neuverbindlichkeiten in Höhe von ca. 40.000 € und eines Vermögens von 2.000 € die Abweisung mangels Masse vor.

II. Der Antrag ist gem. § 26 InsO abzuweisen. Über die Möglichkeit eines Stundungsantrages muss der Schuldner nicht belehrt werden.

1) Die Ablehnung des Eröffnungsantrages beruht auf § 26 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO). Die durchgeführten Ermittlungen haben ergeben, dass zwar ein Eröffnungsgrund vorliegt, aber keine Masse vorhanden ist, die die Verfahrenskosten deckt. Die Antragstellerin hat bereits in der Antragschrift abgelehnt, einen Massekostenvorschuss zu zahlen.

2) Eine Belehrung des Schuldners gem. § 20 Abs. 2 InsO über die Möglichkeit, Eigenantrag mit Antrag auf Stundung und Restschuldbefreiung zu stellen, ist nicht erforderlich. Es handelt sich um einen sog. Zweitinsolvenzantrag. Während eines noch laufenden Erstinsolvenzverfahrens ist ein Antrag eines Neugläubigers nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls zulässig bei freigegebenen Geschäftsbetrieb, ohne dass der Gläubiger das Vorhandensein neuen Vermögens darlegen und glaubhaft machen muss (BGH ZInsO 2011, 1349, 1350 Rz. 12). Ein gesondertes zweites Insolvenzverfahren, das nur der Befriedigung der Neugläubiger dient, ist rechtlich möglich (BGH ZInsO 2011, 1349 Rz. 7). Ein Zweitinsolvenzverfahren kann nur eröffnet werden, wenn die Verfahrenskosten gedeckt sind (BGH ZInsO 2011, 1349, 1350 Rz. 12). Daran fehlt es hier.

3) Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 4 InsO, 91 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 4 InsO in Verbindung mit § 37 GKG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3723918

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