Tenor

Es wird festgestellt, dass das im Einkommensteuerbescheid vom 4. November 2003 ausgewiesene Guthaben dem Schuldner zusteht.

 

Gründe

Über das Vermögen des Schuldners ist am 3. Juni 2002 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und dem Schuldner Stundung bewilligt worden. Nachdem der Beschluss vom 18. August 2003 über die Ankündigung der Restschuldbefreiung rechtskräftig geworden ist, ist das Verfahren mit Beschluss vom 6. Oktober 2003 aufgehoben worden. Mit Schreiben vom 3. Dezember 2003 hat der Schuldner mitgeteilt, dass der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002, am 4. November 2003 dem Treuhänder zugestellt, ein Guthaben von 117,56 EUR ausweist. Schuldner und Treuhänder streiten darum, wem der Erstattungsbeitrag zusteht.

Der Anspruch steht dem Schuldner zu.

Steuererstattungen in der Insolvenz fallen nicht unter den Begriff des Arbeitseinkommens, werden von der Abtretungserklärung des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht erfasst und stehen in der Wohlverhaltensperiode folglich dem Schuldner zu (I.). Nicht präjudiziert wird dadurch die Entscheidung, ob das Finanzamt aufrechne kann (II.). Zur Entscheidung über diese Streitfrage ist nicht das Prozessgericht, sondern das Insolvenzgericht zuständig (III.).

I. Im Rahmen der Restschuldbefreiung tritt der Schuldner seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge an den Treuhänder ab (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO). Zu den Bezügen aus einem Dienstverhältnis sind sämtliche Arten von Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 ZPO zu rechnen (FK-InsO/Ahrens § 287 Rz. 39).

1) Die Frage, ob Steuererstattungsansprüche unter den Begriff des Arbeitseinkommens gemäß § 850 ZPO fallen, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Veröffentlichte Entscheidungen sind zu verschiedenen Phasen des Insolvenzverfahrens ergangen:

  • Mittelbar wird die Frage diskutiert im Rahmen des § 309 Abs. 1 Satz 2 InsO im Rahmen der Möglichkeit einer Zustimmungsersetzung. Relevant wird die Frage, wenn ein Schuldner im Schuldenbereinigungsplan für das Finanzamt als Gläubiger nicht die Möglichkeit vorsieht, dass das Finanzamt seine Ansprüche mit Steuererstattungsansprüchen des Schuldners verrechnen kann. Es stellt sich die Frage, ob eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO vorliegt mit der Folge, dass eine Zustimmungsersetzung nicht erteilt werden kann (s. 2 c).
  • Im Zeitraum zwischen Eröffnung und Ankündigung der Restschuldbefreiung stellt sich die Frage, ob Steuererstattungsansprüche Arbeitseinkommen darstellen mit der Folge, dass das Insolvenzgericht gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. mit §§ 850 ff. ZPO Pfändungsschutzentscheidungen treffen kann (s. 2 a).
  • Vermehrt stellt sich die Frage, wem Steuererstattungen nach rechtskräftiger Ankündigung der Restschuldbefreiung in der Wohlverhaltensperiode zustehen, dem Treuhänder oder dem Schuldner (s. 2 b).

2 a) Für den Zeitraum des eröffneten Insolvenzverfahrens vor Ankündigung der Restschuldbefreiung hat das AG Dortmund entschieden, dass die Steuererstattung kein Arbeitseinkommen im Sinne der §§ 850 ff. ZPO ist, so dass auch die Pfändungsschutzbestimmungen nicht anwendbar sind (ZInsO 2002, 685 mit zust. Anm. Henning = NZI 2002, 448 = InVo 2002, 419).

b) Für die Wohlverhaltensperiode vertritt das AG Gifhorn (ZInsO 2001, 630) die Ansicht, dass die Abtretungserklärung des § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO auch Ansprüche auf Steuererstattungen umfasst. Dem stimmt die Literatur teilweise zu (Kübler/Prütting/Wenzel InsO § 287 Rz. 9; Uhlenbruck/Vallender InsO § 287 Rz. 31). Andererseits wird eine weite Auslegung des Begriffes des Arbeitseinkommens abgelehnt (MK-InsO/Stephan § 287 Rz. 40; FK-InsO/Ahrens § 287 Rz. 44; Gerigk ZInsO 2001, 931, 935).

c) Im Rahmen der Entscheidung gemäß § 309 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO werden Steuererstattungsansprüche teilweise nicht als Arbeitseinkommen angesehen (AG Neuwied NZI 2000, 334, 335; LG Koblenz ZInsO 2000, 507, 508; AG Wittlich ZInsO 2003, 577 = ZVI 2003, 428; Hilbertz/Busch ZInsO 2000, 491, 492), teilweise bleibt die Frage dahingestellt (AG Göttingen ZInsO 2001, 329 = NZI 2001, 270). Sieht man Steuererstattungsansprüche nicht als Arbeitseinkommen an, stellt sich weiter die Frage, ob dem Finanzamt dennoch eine Aufrechnungsbefugnis zusteht (dazu Hilbertz/Busch ZInsO 2000, 491; Grote ZInsO 2001, 452; Schmidt ZInsO 2003, 547).

3) Auszugehen ist davon, dass Ansprüche auf Rückzahlung von Lohn- oder Einkommenssteuer nicht von der Abtretung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO umfasst werden. Es handelt sich nicht um Arbeitseinkommen, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2 AO (AG Dortmund ZInsO 2002, 685 mit zust. Anm. Henning = NZI 2002, 448 = InVo 2002, 419; FK-InsO/Ahrens § 287 Rz. 44). Laufende Bezüge, die unter § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO fallen, haben ihren Rechtsgrund in einem zivilrechtlichen Dienstverhältnis und nicht in einem öffentlich-rechtlichen Steuerschuldverhältnis. Weiter ist die Aufzählung in § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO ...

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