Leitsatz (amtlich)

Im Bußgeldverfahren ist dem Verteidiger in die Bedienungsanleitung eines Messgerätes Akteneinsicht durch Übersendung einer Kopie der Anleitung zu gewähren.

 

Tenor

Auf seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 12.05.2011 wird dem Betroffenen durch seinen Verteidiger nach Beiziehung einer Kopie der Bedienungsanleitung des Geschwindigkeitmessgerätes Traffipax Traffistar S 330 zu den Akten Einsicht durch deren Übersendung in dessen Kanzleiräume gewährt.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe

In dem Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung beantragte der Verteidiger umfassende Akteneinsicht insbesondere unter Zusendung einer Kopie der Bedienungsanleitung des verwandten Messgerätes. Die Bußgeldbehörde bewährte dem Verteidiger Einsicht in die Bußgeldakte, der die Bedienungsanleitung nicht beigefügt war und räumte dem Verteidiger lediglich die Möglichkeit ein, diese nach vorheriger Terminsabsprache in den Räumen der Behörde einzusehen. Den vom Verteidiger gestellten Antrag auf Übersendung einer Kopie der Bedienungsanleitung wies sie mit Schreiben vom zurück. Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWG ist zulässig und begründet. Das Akteneinsichtsgesuch des Verteidigers des Betroffenen ist nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 147 StPO, welches auch Schriftstücke und Unterlagen umfasst, die für den Betroffenen als belastend oder entlastend von Bedeutung sein könnten, berechtigt. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit und dient der Wahrung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen. Nur das Einsichtsrecht des Verteidigers in die Bedienungsanleitung eines Geschwindigkeitsmessgerätes, ermöglicht es dem Verteidiger die Polizeibeamten, die die Messung vorgenommen haben, als Zeugen zu der ordnungsgemäßen Durchführung der Messung zu befragen und die ordnungsgemäße Bedienung des Gerätes nachzuvollziehen und zu überprüfen. Der Verteidiger kann dabei auch nicht darauf verwiesen werden, die Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung in den Räumen der Behörde vorzunehmen, da er die Bedienungsanleitung zu einer umfassenden Prüfung, gegebenenfalls auch bei Durchführung einer Beweisaufnahme im gerichtlichen Verfahren, benötigt und eine Einsichtnahme lediglich für einige Stunden unter Umständen nicht ausreichend ist

Auch der Einwand, einer Kopie der Bedienungsanleitung stünde das Urheberrecht entgegen, greift nicht. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei der Bedienungsanleitung für das Geschwindigkeitmessgerät um eine eigentständige geistige Schöpfung ihrers Autors im Sinne des Urhebergesetzes handelt (verneinend: AG Ellwangen, NZV 2011, 362, 363; LG Ellwangen, Beschluss vom 14.12.2009, 1 Qs 166/09, zitiert aus [...]), ist eine solche Vervielfältigung von Werken zur Verwendung in Verfahren vor einem Gericht oder einer Behörde durch Beifügung einer Kopie der Bedienungsanleitung in die Verfahrensakte nach § 45 UrhG zulässig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 62 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO entsprechend.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3955728

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