Tenor

Die Erinnerung des Betroffenen vom 16.05.2012 gegen den Ansatz der Sachverständigenkosten in der Gerichtskostenrechnung vom 27.04.2012 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Entgegen der Auffassung des Betroffenen handelt es sich bei den vorliegend angegriffenen Sachverständigenkosten nicht um niederzuschlagende Kosten im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG, da eine unrichtige Sachbehandlung nicht vorliegt.

Dem liegt die nach Auffassung des erkennenden Gerichts zutreffende Ansicht des LG Berlin im Beschluß vom 28.04.2010 (Az. 502 Qs 49/10) zugrunde, wonach die Einholung des Gutachtens eines anthropologischen Sachverständigen durch das zur Wahrheitserforschung verpflichtete Gericht angesichts eines nicht vollständig scharfen Belegfotos, auf dem der Fahrer nicht unzweideutig zu erkennen ist, ein angemessenes Mittel ist, um dem Gericht die notwendige Sachkunde bei der Identitätsprüfung zu verschaffen. Danach ist die vorsorgliche Beauftragung des Sachverständigen im Sinne der Prozeßökonomie das probate Mittel, um eine zügige Bearbeitung des Falles zu gewährleisten (LG Berlin, a.a.O.). Ebenso wie der Betroffene in jedem Verfahrensstadium das Recht zur Aussageverweigerung hat, ist es die Aufgabe des Gerichts den Sachverhalt aufzuklären und die Wahrheit insbesondere auch mit dem Ziel zu erforschen, den Betroffenen von einem gegen ihn eventuell zu Unrecht erhobenen Vorwurf freizusprechen. Hierzu hat es die erforderlichen Beweismittel heranzuziehen (LG Berlin, a.a.O.). Angesichts der Einlassung des Verteidigers vom 19.12.2011, wonach für ihn anhand der Tatfotos der Fahrer nicht zu identifizieren sei, mußte das Gericht davon ausgehen, daß die Fahrereigenschaft bestritten wird. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens war daher angesichts des vorliegenden Bildes mit teilweise verdecktem Gesicht, auf dem der Fahrer nicht unzweideutig zu erkennen ist, ein angemessenes Mittel, um dem Gericht die notwendige Sachkunde bei der Identitätsprüfung zu verschaffen. Dies entspricht dem Ermittlungsgrundsatz des über § 46 Abs. 1 OWiG anzuwendenden § 244 Abs. 2 StPO, wonach das Gericht zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Die Ermittlung des wahren Sachverhalts ist das zentrale Anliegen der Strafprozeßordnung (BVErfGE 57, 250, 275; BVerfGE 63, 45, 61; BVerfG, MDR 84, 284).

Im Hinblick darauf ergibt auch die vom Betroffenen angeführte Entscheidungen des LG Leipzig im Beschluß vom 04.08.2009 (Az. 5 Qs 48/09), die sich ihrerseits auf die weiterhin angegebenen Beschlüsse des LG Stuttgart vom 17.12.1993, Az. 12 Qs 35/93, LG Baden-Baden, zfs 1994, 263, LG Freiburg, MDR 93, 911 und LG Köln, NJW 1967, 1482 stützt, für den vorliegenden Fall keine andere Beurteilung. Es kann dabei dahinstehen, ob die dort für Fälle nicht anwaltlich vertretener Betroffener, die zudem ihre Fahrereigenschaft zu keinem Zeitpunkt bestritten haben (so der Fall des LG Baden-Baden, a.a.O.), vorgenommene Würdigung überhaupt auf den vorliegenden Fall eines anwaltlich beratenen Betroffenen, der seine Fahrereigenschaft in Abrede gestellt hat, übertragbar ist, denn aus dem Rechtsgedanken des § 222 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG ergibt sich auch unter verständiger Würdigung anhand des Grundsatzes des fairen Verfahrens nur, daß das Gericht die geladenen Zeugen und Sachverständigen dem Angeklagten "rechtzeitig" anzugeben hat. Eine Bekanntgabe mit der Ladung des Angeklagten oder gar vor dessen Ladung bzw. vor Ladung des Sachverständigen sieht das Gesetz hingegen in § 222 StPO nicht vor. Die Verfahrensbeteiligten müssen lediglich in die Lage versetzt werden, rechtzeitig vor dem Hauptverhandlungstermin Erkundigungen über die Beweisperson einzuholen (Meyer-Goßner, StPO, § 222, Rn. 1 mit Hinweis auf BGHSt, 23, 244, 245) sowie beurteilen zu können, ob und welche Beweismittel ggf. selbst beigebracht werden sollen (Meyer-Goßner, a.a.O. mit Hinweis auf OLG Hamm, MDR 71, 1029). Ziel der Vorschrift ist es indessen gerade nicht, den Angeklagten bzw. Betroffenen durch die Benachrichtigung zur Überprüfung seiner Verteidigungsstrategie unter Kostengesichtspunkten zu veranlassen (so i.E. aber wohl LG Leipzig, a.a.O., Rn. 20). Die Vorschrift ist insbesondere nicht darauf angelegt, den zum Schweigen berechtigten Betroffenen, dessen Unschuld vermutet wird, unter dem Eindruck der zu erwartenden Kosten der Beweisaufnahme unter Preisgabe der für ihn streitenden Unschuldsvermutung ggf. zu einer Einspruchsrücknahme allein aus Kostengründen zu verleiten oder ihn auch nur derartigen Opportunitätserwägungen auszusetzen. Eine solche Lesart der Vorschrift des § 222 StPO erscheint mit dem bereits erwähnten zentralen Anliegen der Verfahrensordnung, d.h. ihrer Verpflichtung zur Wahrheitsfindung nicht nur unvereinbar, sondern sogar potentiell geeignet, diesem Anliegen gerade entgegenzuwirken. Einer Vermeidung der eigentlich...

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