Normenkette

StGB § 186 Var. 2, § 52

 

Tenor

  • 1.

    Die Angeklagten A1 und A2 werden wegen übler Nachrede in zwei tateinheitlichen Fällen je zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50,00 Euro verurteilt.

  • 2.

    Betreffend eines weiteren Vorwurfes der üblen Nachrede wird das Verfahren eingestellt.

  • 3.

    Im Übrigen werden sie freigesprochen.

  • 4.

    Soweit die Angeklagten verurteilt werden, tragen sie die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen selbst.

  • 5.

    Soweit das Verfahren eingestellt wird, trägt der Nebenkläger zu 3 die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der beiden Angeklagten.

  • 6.

    Soweit die Angeklagten freigesprochen werden, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten.

 

Gründe

I. Zu den persönlichen Verhältnissen

Die beiden Angeklagten sind als freie Journalisten tätig und betreiben ein gemeinsames Büro. Beide Angeklagten sind ledig. Sie sind bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Weitere Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen wurden in der Hauptverhandlung nicht getroffen. Das Gericht ging davon aus, dass jedem der beiden Angeklagten ein frei verfügbares Einkommen von mindestens 1 500,00 Euro zur Verfügung steht.

Die Hauptverhandlung fand zu den letzten drei Sitzungstagen ein offensichtlich bundesweites Medieninteresse. Die Angeklagten hatten zudem auch Solidaritätsbekundungen ihrer Berufskollegen erhalten. Hierbei war davon auszugehen, dass diese mediale Behandlung auch auf Initiative der Angeklagten entstand.

II. Teilfreispruch (Vorwurf I der Anklage)

A. Der Tatvorwurf

Den Angeklagten wurde vorgeworfen, in dem Artikel "Dreckige Wäsche", veröffentlicht im Magazin "DER SPIEGEL", Heft 4/2008 vom 21.01.2008, Seite 48 bis 49, durch zwei Passagen in Absatz 1 Satz 1 bis 4 und Absatz 3 Satz 3 zum Nachteil der Nebenkläger zu 1 und 2 eine Verleumdung in zwei tateinheitlichen Fällen begangen zu haben, strafbar nach §§ 186, 52 StGB.

Es habe sich insoweit um ehrenrührige und nicht erweislich wahre Tatsachenbehauptungen gehandelt, als der Eindruck erweckt werde, im Artikel würden Angaben von Zeuginnen aus den Vernehmungen bei der Staatsanwaltschaft Dresden wieder gegeben. Der Nebenkläger zu 1 werde als "Ingo" und Besucher eines Kinderbordells und der Nebenkläger zu 2 als "Geschäftsfreund" des Bordellbetreibers bezeichnet.

Der Text des Artikels lautet wie folgt (Hervorgehoben durch Fettdruck sind die als Tathandlungen vorgeworfenen Textpassagen).

Seite 48 - Titel:

"Dreckige Wäsche" -

Untertitel:

In den sächsischen Korruptionsskandal kommt neue Bewegung. Ehemalige Prostituierte wollen auf Bildmappen der Staatsanwaltschaft hochrangige Juristen als Freier wiedererkannt haben.

Text:

Ingo war kein feiner Mann. Ganz sicher keiner, um den sich Frauen gewöhnlich stritten. Er hatte wenig Ähnlichkeit mit Adonis, war nicht sonderlich freundlich und neigte zu Grobheiten. Interessiert war er eigentlich nur an einem: hartem Sex mit blutjungen Frauen. Doch die Mädchen im Leipziger Bordell "Jasmin" rissen sich um Ingo. Denn der Freier, der seine Favoritin häufig telefonisch reservierte und dann im Anzug in der Merseburger Straße 115 erschien, hatte ganz andere Qualitäten. Er zahlte fürstlich. Immer den doppelten Preis.

Ingos kostspielige Ausflüge ins Leipziger Nachtleben sind inzwischen gut 15 Jahre her. Doch sie beschäftigen seit Montag vergangener Woche die Justiz. Und sie bringen erneut Schwung in jene sächsische Korruptionsaffäre mit ihren vermuteten Verbindungen von Justiz, Polizei und Politik in die Halbwelt, die doch schon weitgehend abmoderiert schien.

Denn Ingo soll nach Aussagen zweier ehemaliger Prostituierter ausgerechnet ein späterer ranghoher Richter des Landgerichts Leipzig gewesen sein - jener Jurist, der in einem Verfahren gegen den Betreiber des Bordells das Urteil sprach. Zudem wollen die Frauen einen späteren Oberstaatsanwalt als Freier wiedererkannt haben, der heute als Amtsgerichtspräsident residiert. Auch ein Vorsitzender Richter am Dresdner Oberlandesgericht wurde von einer der beiden Zeuginnen identifiziert: als angeblicher "Geschäftsfreund" des Bordellbetreibers.

Mit den mehrstündigen Aussagen der beiden Frauen vor zwei Dresdner Staatsanwälten könnte die bisherige Verteidigungslinie der Landesregierung unter Druck geraten. Denn das Leipziger Etablissement soll eine Keimzelle für spätere Abhängigkeiten von Juristen und städtischen Bediensteten zu Rotlicht- und Immobiliengrößen gewesen sein.

Bislang wurde die Affäre gern auf eine schlampige Gerüchtesammlung des sächsischen Verfassungsschutzes reduziert, in der sich letztlich nichts Belastbares finden lasse. "Die sogenannte Korruptionsaffäre", versichert Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), "ist keine": Es gebe lediglich "frisierte Dossiers, im Wesentlichen von einer Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes, einer früheren DDR-Staatsanwältin, wohl getrieben von blindem Jagdeifer und blühender Phantasie".

Immerhin hat die Staatsanwaltschaft Dresden elf Prüfvorgänge und 19 Ermittlungsverfahren gegen...

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