Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Am Abend des 29.05.1996 beabsichtigten der in wohnhafte Kläger und seine Gattin, eine für 20:00 Uhr angesetzte Aufführung der Oper „Nabucco” zu besuchen, die von der Beklagten im Stadttheater gegeben wurde. Wenige Minuten nach 20:00 Uhr –die Aufführung hatte bereits begonnen – wurden sie bei den Ordnungskräften der Beklagten mit der Bitte um Einlass vorstellig. Obschon sie 2 gültige, vom Kläger zum Preis von je 46,00 DM erworbene Eintrittskarten vorlegten, wies man sie unter Hinweis auf eine Aufforderung der Geschäftsleitung der Beklagten, Nachzügler mit Plätzen im Parkett oder ersten Rang erst in der ersten Pause einzulassen, vorläufig ab. Nach dem Austausch von Unfreundlichkeiten verließen der Kläger nebst Gattin – laut Kläger kommentarlos; nach dem Vortrag der Beklagten den Hausmeister mit Tiernamen und Beschreibungen von Körperteilen betitelnd – das Etablissement und kehrten nicht zurück.

Im Folgenden verweigerte die Beklagte nicht nur den klägerseits verlangten Ersatz des Eintrittspreises nebst unnütz aufgewandter Fahrtkosten, sondern erstattete zudem gegen den Kläger Strafanzeige wegen Beleidigung städtischer Bediensteter.

In vorliegendem Verfahren haben die Parteien die Rechtsfrage, ob die Zutrittsverweigerung gegenüber verspäteten Opernbesuchern rechtens ist und das Eintrittsgeld zudem einbehalten werden darf, kontrovers und ausgiebig in rechtlicher, kulturhistorischer und allgemein menschlicher Hinsicht diskutiert. Der Kläger verweist auf die Ägerlichkeit eines verpfuschten Abends und nimmt § 325 BGB für sich in Anspruch, während sich die Beklagte als Hüterin der darstellenden Kunst versteht und auf die §§ 324, 552 BGB rekuriert.

Wegen der zahlreichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger, der ungeachtet der erheiternden Aspekte des Falles eine ernstzunehmende und nicht einfache Rechtslage zur Entscheidung gestellt hat, kann von der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erstattung des Eintrittgeldes nebst Fahrtkosten verlangen.

Der dem Rechtsverhältnis der Parteien zugrunde liegende, typengemischte Vertrag ist Werkvertrag mit mietrechtlichem Einschlag bzgl. des Zuschauerplatzes. Zur Falllösung sind somit die auf beide Vertragstypen bezogenen Sondervorschriften, ergänzend ggf. allgemeine Normen sowie übergesetzliche Rechtssätze heranzuziehen. Eindeutig zu beantworten ist hiernach noch die Vorfrage, ob die Mitarbeiter der Beklagten berechtigt waren, dem Kläger nach Beginn der Vorstellung den Zutritt zu seinen angemieteten Plätzen zu versagen: nämlich mit einem klaren ja. Zu Recht verweist die Beklagte insoweit auf eine jahrhundertealte und internationale Gepflogenheit, die dem Vertragsverhältnis zwischen Opernveranstalter und Besucher immanent ist und die auf die Kurzformel gebracht werden kann: Vorhang auf Türen zu. Durch verspätet eintreffende Zuschauer kommt es potentiell immer zu Störungen der (der Enthusiast möge den profanen Ausdruck verzeihen) Livedarbietung durch Geräusche, Licht oder sonstige Immisionen, die von den übrigen Vertragspartnern des Veranstalters, nämlich den Bühnenakteuren und dem Publikum unmittelbar oder mittelbar (durch die aus dem Konzept geratende Aufführung) als Beeinträchtigung empfunden werden können. Diese Vertragspartner des Veranstalters werden nicht, wie beispielsweise im Kino, klaglos hinnehmen, dass Nachzügler geräuschvoll hinter dem Lichtkegel der Taschenlampe eines Platzanweisers herstolpern, um sich dann unter vielen „Entschuldigung” und „Darf ich mal” auf ihren Platz drängeln, wobei sie unter den bereits sitzenden Zuschauern den aus Fußballstadien bekannten „La ola-Effekt” auslösen. Der Veranstalter hat vielmehr den reibungslosen Ablauf der Aufführung zu bewährleisten, war nur durch klare, praktikable Weisungen an die Saalordner möglich ist. Diese Weisung kann, wie im vorliegenden Fall, so aussehen, dass verspätete Besucher nur in weniger störanfällige Bereiche des Zuschauerraumes vorgelassen werden, im Übrigen aber bis zur Pause warten müssen. Differenzierungen durch das Opernpersonal sind nicht handhabbar. Weder kann diesen die Auswahl dramaturgisch günstiger Momente zum schubweisen Einlass von zu späte Gekommenen überlassen werden, noch kann es darauf ankommen, ob es sich um eine Aufführung mit geräuschvoll tumultartigen Szenen auf der Bühne oder um eine andachtsvollere Darbietung handelt, so dass bei Wagner einzulassen wäre, bei Bach aber nicht.

Steht aufgrund der obigen Erwägungen fest, dass die Beklagte den verspäteten Kläger nebst Begleitung nicht einzulassen brauchte, so hat sie zunächst nicht aus Schadensersatzgesichtspunkten dem Kläger Fahrtkosten zu erstatten. Abgesehen davon kann eine Anfahrt nach Aachen schlechterdings nicht vergebens sein, insbesondere dann nicht, wenn sie von aus unternommen...

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