Leitsatz

  • Änderung des Kostenverteilungsschlüssels (hier: Müllgebühren) über vereinbarte "Öffnungsklausel" nur eingeschränkt möglich

    Mehraufwandsgebühr bei Nichtbeteiligung am Wohngeld-Lastschrifteinzugsverfahren setzt ausdrückliche Beschlussfassung voraus (ist also nicht lediglich durch den Verwaltervertrag begründbar!)

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG, § 23 WEG

 

Kommentar

1. In einer mehrheitlich beschlossenen Jahresabrechnung wurden die Miteigentümer, die sich nicht am früher beschlossenen Lastschriftverfahren beteiligt hatten, mit einem Betrag von DM 7,50 für jede Buchung von Wohngeldzahlungen belastet.

Weiterhin wurde zu gesondertem Tagesordnungspunkt eine - nach Teilungserklärung durch Mehrheitsbeschluss zulässige - Änderung des Kostenverteilungsschlüssels beschlossen, wonach von den Müllabfuhrgebühren abweichend vom geltenden Verteilungsschlüssel nach Wohnflächen diejenigen Wohnungseigentümer, die ihre Wohnung länger als sechs Monate im Jahr nutzen, pro Person und Monat einen Betrag von DM 8,- vorab zu zahlen haben.

Der Senat gab den Beschlussanfechtungsanträgen entgegen der Meinung der Vorinstanz statt und erklärte die Mehrheitsbeschlüsse für ungültig.

2. Eine Mehraufwandsgebühr zu Lasten derjenigen Eigentümer, die zur Erbringung ihrer Wohngeldzahlungen entgegen einer bestehenden Verpflichtung nicht am Lastschrifteinzugsverfahren teilnehmen, kann nicht lediglich durch den Verwaltervertrag begründet werden, wenn diesem nicht eine ausdrückliche, inhaltlich übereinstimmende Beschlussfassung der Eigentümerversammlung zugrunde liegt.

Es entspricht zwar gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung, dass es im Hinblick auf die Kosten des Lastschrifteinzugsverfahrens, dem für den Zahlungspflichtigen keine beachtlichen Nachteile gegenüberstehen, im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung liegt, die Wohnungseigentümer durch Eigentümerbeschluss zur Teilnahme an diesem Verfahren zu verpflichten (OLG Hamburg, NJW-RR 98, 1163; OLG Düsseldorf, NZM 99, 267; BayObLG, NZM 99, 453). Insoweit liegt es auch im Rahmen der Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung, am Lastschriftverfahren nicht teilnehmende Eigentümer mit einer angemessenen (nicht überhöhten) Mehraufwandsgebühr zu belasten. Eine solche Regelung, die sich inhaltlich als Pauschalierung eines Schadenersatzanspruchs gegen den einzelnen Eigentümer darstellt, kann allerdings nur durch Beschluss der Gemeinschaft nach § 23 Abs. 1 WEG getroffen werden. Die Wirksamkeit einer in einem Verwaltervertrag getroffenen Regelung (selbst bei entsprechender Ermächtigungsbeschlussfassung zum Vertragsabschluss z.B. an einen Beirat) setzt voraus, dass die Regelung auf eine ausdrückliche, auch diesen Punkt regelnde Beschlussfassung der Versammlung zurückgeht, die im Verwaltervertrag getroffene Regelung sich also lediglich als ausführende Maßnahme zu dem Eigentümerbeschluss darstellt: hieran fehlte es im vorliegenden Fall, da durch Beschluss der Beirat nur ganz allgemein mit dem Abschluss des Verwaltervertrags bevollmächtigt wurde. Dem Wortlaut des Beschlusses im Versammlungsprotokoll war in objektiver Auslegung nicht zu entnehmen, dass die Eigentümerversammlung (auch) eine Ermächtigung zur Begründung einer solchen Mehraufwandsgebühr habe beschließen wollen.

3. Auch der weitere Beschluss, dass in Zukunft von den Müllabfuhrgebühren vorab diejenigen Eigentümer, die ihre Wohnung länger als 6 Monate im Jahr nutzten, pro Person und Monat DM 8,- mit der Maßgabe zu tragen hätten, dass jährliche Anpassungen dieses Betrages im Ermessen des Verwalters lägen und nur der verbleibende Gebührenrest nach dem Verhältnis der Wohnflächen zu verteilen sei, wobei die Kontrolle der Nutzung der Wohnungen durch den Hausmeister bzw. eine entsprechende Selbsteinschätzung der Miteigentümer erfolgen solle, konnte keinen Bestand haben. Eine so genannte Öffnungsklausel in einer Gemeinschaftsordnung (Änderung eines Kostenverteilungsschlüssels durch Mehrheitsbeschluss) wird zwar nach BGH (NJW 85, 2832) grundsätzlich für wirksam erachtet; gleichwohl muss jedoch dem berechtigten Interesse der durch die bisherige Regelung begünstigten Eigentümer angemessene Rechnung getragen werden. Eine Änderung durch Mehrheitsentscheidung soll deshalb nur zulässig sein, wenn "sachliche Gründe"vorliegen und einzelne Eigentümer aufgrund der Neuregelung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand "nicht unbillig benachteiligt werden". Dies soll insbesondere dann der Fall sein, wenn sich in Zusammenhang mit der Kostenverteilung die Verhältnisse gegenüber früher in wesentlichen Punkten geändert oder sich die ursprünglich vorgesehene Verteilung - weil den tatsächlichen Verhältnissen nicht angemessen - nicht bewährt haben sollten. Vorliegend war vom Vorliegen dieser engen Voraussetzungen nicht auszugehen (auch nicht - wie hier - in einer Ferienwohnanlage). Unterschiedliche Nutzungen der einzelnen Einheiten dürften hier bereits bei der Begründung des Wohnungseigentums vorhersehbar gewesen sein. Andererseits obliegt der Umfang einer Sondereigentumsnutzu...

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