Leitsatz

Änderung der Kostenverteilung hinsichtlich der Aufzugskosten in einer Mehrhausanlage

 

Normenkette

§ 16 Abs. 3 WEG

 

Kommentar

  1. Für die Änderung der Kostenverteilung nach § 16 Abs. 3 WEG bedarf es eines sachlichen Grundes (a.A. LG Nürnberg-Fürth, ZMR 2009 S. 638) sowohl hinsichtlich des "Ob" als auch des "Wie" einer Neuregelung. Eine Änderung des Schlüssels darf insbesondere nicht willkürlich sein und nicht andere Eigentümer ungerechtfertigt benachteiligen. Insoweit ist der Ermessensspielraum der Eigentümer für eine Beschlussfassung nach § 16 Abs. 3 WEG durch das Erfordernis ordnungsgemäßer Verwaltung eingeschränkt. In einer Mehrhausanlage kann deshalb ein sachlicher Grund für das "Ob" der Änderung darin gesehen werden, dass Eigentümer eines Hauses ohne Aufzug in gleicher Weise und hier aufgrund sogar erhöhter Wohnfläche zum Teil stärker belastet werden als die Eigentümer des Hauses mit Aufzug.
  2. Eine Regelung, die allerdings Kosten eines Hauses strikt "nach Stockwerkslage" verteilt, benachteiligt Bewohner/Eigentümer der obersten Geschosse unangemessen, wenn hier beschlossen wurde, dass Erdgeschosswohnungen je einen Kostenanteil, Wohnungen im 1. OG je 2 Kostenanteile, im 2. OG je 3 Kostenanteile, im 3. OG je 4 Kostenanteile und im 4. OG je 5 Kostenanteile tragen müssten. Die Nutzungswahrscheinlichkeit und auch -dauer eines Aufzugs kann zwar mit der Höhe der Stockwerke steigen. Andererseits steht nicht fest, von welchen Wohnungen aus in welchem Umfang ein Aufzug tatsächlich genutzt wird, da es in jedem Fall auch möglich ist, die Treppe zu benutzen. Weiterhin wird die Nutzungshäufigkeit auch dadurch beeinflusst, wie viel Personen in einer Wohnung leben und wie oft sie am Tag das Haus verlassen. All dies wird durch einen allein am Stockwerk orientierten Maßstab nicht berücksichtigt. Vorliegend müssten bereits Wohnungseigentümer im 1. OG doppelt soviel zahlen wie die im Erdgeschoss, die im 2. Stock dreimal soviel, die im 3. Stock viermal soviel und die im 4. Stock (so auch die Klägerin) fünfmal soviel. Grundkosten eines Aufzugsbetriebs fallen jedoch unabhängig von der Nutzungshäufigkeit an (insbesondere Beaufsichtigung, Überwachung und Pflege, regelmäßige Prüfung der Betriebsbereitschaft und -sicherheit). Stromkosten wurden vorliegend im Übrigen über die allgemeinen Stromkosten umgelegt. Damit war die beschlossene Änderung der Kostenverteilung hinsichtlich des "Wie"sachlich nicht gerechtfertigt und führte zu unbilliger Benachteiligung von Stockwerkseigentümern.
Anmerkung

RA Drabek hat in seiner Anmerkung zu dieser Entscheidung erwähnt, dass die Berufung nach Hinweis des LG Nürnberg-Fürth vom 27.1.2011 (14 S 9615/10 WEG) zurückgenommen wurde. Das Landgericht hat dem Grunde nach eine Änderung des Umlageschlüssels bei den Betriebskosten des Aufzugs nach § 16 Abs. 3 WEG in dieser Mehrhausanlage für die Zukunft bejaht, allerdings auch die grundsätzliche Möglichkeit einer Differenzierung der Kosten für die Eigentümer im Haus mit Aufzug nach jeweiliger Stockwerkslage (ZMR 2009 S. 638 = NZM 2009 S. 363). Vorliegend sei allerdings der Schlüssel hinsichtlich der Staffelung nach Stockwerken erheblich überschritten worden. Einzelne Eigentümer seien hier unbillig benachteiligt worden (überproportionale Belastung der Eigentümer in den oberen Geschossen zugunsten der Eigentümer im Erdgeschoss und im 1. OG, wofür keine Rechtfertigung ersichtlich sei).

Anzumerken ist vielleicht noch meinerseits, dass solche wohl dem Mietrecht entstammende Staffelregelungen nach Stockwerkszahl keiner Kostenverteilungsgerechtigkeit entsprechen. Im ersten Stockwerk kann eine kinderreiche Familie einen Aufzug tatsächlich weit häufiger beanspruchen als etwa ein Single in einer oberen Penthouse-Wohnung. Berücksichtigt man ferner, dass der größte Verschleiß und auch Energieverbrauch eines Aufzugs nicht in der Fahrstrecke liegt, sondern im jeweiligen Start- und Bremsmanöver, erkenne ich für solche Staffelungen nicht den geringsten Rechtfertigungsgrund, auch nicht für eine nachträgliche Verteilungsänderung etwa von Flächen- oder Miteigentumsanteil-Schlüsseln auf eine solche Staffelregelung. Auch in einer Mehrhausanlage mit einem Aufzug nur in einem einzelnen Haus geht es in erster Linie meist nicht um die laufenden Betriebskosten, sondern vielmehr um größere Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen. Insoweit kann allenfalls unter den gesetzlich normierten Einschränkungen des § 16 Abs. 4 WEG eine Neuverteilung mit Beschlusskompetenz beschlossen werden. Es muss sich allerdings um einen Einzelfall handeln und entsprechend die doppelt qualifizierte Mehrheit für die Änderung erreicht werden.

Vgl. zu ähnlicher Problematik auch Urteil des AG Göppingen v. 4.2.2011, 7 C 726/10.

 

Link zur Entscheidung

AG Nürnberg, Urteil vom 27.10.2010, 30 C 40157/10

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