Leitsatz

Eine von einem Wohnungseigentümer eigenmächtig vorgenommene bauliche Maßnahme (hier: Terrassenüberdachung) begründet einen Nachteil für alle Wohnungseigentümer, wenn sie die Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erschwert; eine angebotene finanzielle Kompensation lässt den Nachteil nicht entfallen, sondern kann nur als Mittel dienen, um die anderen Wohnungseigentümer zu der Erteilung der Zustimmung zu bewegen

 

Normenkette

§§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 WEG

 

Das Problem

  1. Die Wohnungseigentumsanlage stellt sich so dar, dass jedem Wohnungseigentümer an den Räumen eines Reihenhauses das Sondereigentum zusteht. Anfang 2008 überdacht ein Wohnungseigentümer W 1 "seine" Terrasse. Auf einer Versammlung der Eigentümer wird über die Überdachung diskutiert, aber nicht beschlossen. Es wird in Aussicht genommen, die Frage der Überdachung schriftlich zu regeln. Dazu kommt es aber nicht.
  2. Mit der Klage verlangt W 2 – der unmittelbare Nachbar von W 1 –, dass dieser die Terrassenüberdachung entfernt. Das Amtsgericht weist die Klage ab. Das Landgericht Hamburg gibt ihr auf die Berufung von W 2 hin statt. Die Terrassenüberdachung sei eine bauliche Veränderung im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG. Dass sie im Sinn von § 14 Nr. 1 WEG nachteilig sei, folge schon daraus, dass die Außenwände im gemeinschaftlichen Eigentum stünden und mangels einer abweichenden Vereinbarung "durch die Gemeinschaft" instand zu halten seien. Die Überdachung erschwere etwaige Sanierungsarbeiten an den Außenwänden auch dann, wenn die auf dem Ständerwerk aufliegende Konstruktion entfernt werde.
  3. Dagegen wendet sich W 1 mit der zugelassenen Revision, mit der er die Zurückweisung der Berufung erreichen will.
 

Entscheidung

  1. Die Revision hat keinen Erfolg. Der Kläger könne die Beseitigung der Terrassenüberdachung gemäß § 1004 Abs. 1 BGB verlangen, weil ihn keine Duldungspflicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB treffe.
  2. Der Kläger sei aktivlegitimiert. Auch wenn sich ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB auf die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums beziehe, könne ihn ein einzelner Miteigentümer ohne Vorbefassung der anderen Eigentümer gerichtlich geltend machen. Für einen Unterlassungsanspruch bestehe lediglich eine gekorene Ausübungsbefugnis des Verbands im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG (Verweisung auf BGH v 17.12.2010, V ZB 125/10, NJW 2011 S. 1351 Rn. 9). Eine gemeinschaftliche Rechtsverfolgung komme daher nur dann in Betracht, wenn die Gemeinschaft die Rechtsausübung durch Vereinbarung oder Beschluss an sich gezogen habe. Hieran fehle es.
  3. Die Terrassenüberdachung sei eine Maßnahme nach § 22 Abs. 1 WEG. Daran, dass die bauliche Maßnahme – wie es § 22 Abs. 1 WEG voraussetze – das gemeinschaftliche Eigentum betreffe, bestehe kein Zweifel, weil die Außenwände der "Reihenhäuser" gemäß § 5 Abs. 1 WEG zwingend im gemeinschaftlichen Eigentum stünden. Selbst wenn das Ständerwerk auf einer Fläche errichtet worden sein sollte, für die W 1 ein Sondernutzungsrecht eingeräumt worden ist, unterfiele die Maßnahme § 22 Abs. 1 WEG. Eine nach dieser Norm erforderliche Zustimmung sei in der Zuweisung des Sondernutzungsrechts nur enthalten, soweit bauliche Veränderungen Eingang in die Beschreibung des Sondernutzungsrechts gefunden hätten oder wenn sie nach dem Inhalt des jeweiligen Sondernutzungsrechts üblicherweise vorgenommen werden und der Wohnungseigentumsanlage dadurch kein anderes Gepräge verliehen (BGH v. 2.12.2011, V ZR 74/11, NJW 2012 S. 676 Rn. 8 und BGH v. 22.6.2012, V ZR 73/11, ZWE 2012 S. 377). Die Errichtung einer Terrassenüberdachung überschreite die übliche Nutzung einer Gartenfläche und sei von einem Sondernutzungsrecht ohne eine ausdrückliche Regelung nicht umfasst.
  4. Ein Genehmigungsbeschluss liege nicht vor. Der einschlägige Tagesordnungspunkt sei lediglich mit "Diskussion" und nicht mit Beschlussfassung bezeichnet; auch sei kein Beschlussantrag gestellt worden. Schließlich wäre eine – hier unterbliebene – Feststellung und Verkündung des Abstimmungsergebnisses "im Regelfall" notwendige Wirksamkeitsvoraussetzung eines Beschlusses (BGH v. 23.8.2001, V ZB 10/01, BGHZ 148 S. 335, 341). Eine Vereinbarung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG über die Genehmigung der baulichen Maßnahme läge nicht vor.
  5. Ob § 22 Abs. 1 WEG in der seit dem 1. Juli 2007 geltenden Fassung die Entscheidung durch förmlichen Beschluss zwingend vorschreibt oder ob wie nach der zuvor geltenden Fassung der Norm weiterhin eine formlose Zustimmung derjenigen Wohnungseigentümer ausreicht, deren Zustimmung gemäß § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG erforderlich ist, sei umstritten. Der Senat habe diese Frage bislang offen gelassen (BGH v. 21.10.2011, V ZR 265/10, NJW-RR 2012 S. 140 Rn. 6). Sie bedürfe auch hier keiner Entscheidung. Nach der einen Auffassung träfe den Kläger nämlich nur dann eine Duldungspflicht, wenn alle Wohnungseigentümer der Maßnahme (formlos) zugestimmt hätten. Hieran fehle es (W 2 habe den Abschluss der Vereinbarung auch nicht im Sinn von § 162 Abs. 1 BGB treuwidrig vereitelt...

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