Leitsatz

Die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 6 Satz 1, 21 Abs. 4 WEG

 

Das Problem

  1. In Pforzheim gibt es eine Wohnungseigentumsanlage mit 201 Wohnungseigentumsrechten. Die Wohnungseigentümer beschließen in 2013, die Fassade zu dämmen. Die mit ca. 2.000.000 EUR veranschlagten Kosten sollen auf 2 Wegen aufgebracht werden: Zum einen durch einen Rückgriff auf die Instandhaltungsrückstellung in Höhe von 900.000 EUR. Zum anderen soll bei der KfW-Bank ein Förderkredit über 1.300.000 EUR zu einem Zinssatz von 0 % und einer Laufzeit von 10 Jahren aufgenommen werden.
  2. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Das Amtsgericht weist die Klage ab. Das Landgericht erklärt den Beschluss hingegen für ungültig. Dagegen richtet sich K's Revision.
 

Die Entscheidung

  1. Mit Erfolg! Die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits könne allerdings ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Ob dies der Fall sei, sei anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der allseitigen Interessen zu bestimmen. Im Fall sei die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses zu verneinen.
  2. Das Wohnungseigentumsgesetz enthalte keine Anhaltspunkte, dass den Wohnungseigentümern die Möglichkeit einer Kreditaufnahme "durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zu Gebote stehen solle. Allerdings müsste das besondere Haftungsrisiko berücksichtigt werden. Gebe es Zahlungsausfälle bei Wohnungseigentümern, müssten die daraus resultierenden Fehlbeträge durch entsprechend höhere Beiträge der übrigen Wohnungseigentümer oder durch eine Sonderumlage ausgeglichen werden. Eine solche Nachschusspflicht könne zwar auch entstehen, wenn ein Vorhaben durch eine Sonderumlage finanziert werde und sich diese bei einzelnen Wohnungseigentümern als uneinbringlich erweise. Da eine Sonderumlage von den aktuellen Wohnungseigentümern aufzubringen sei, werde aber meist hinreichend sicher bekannt sein, ob mit einem Zahlungsausfall zu rechnen sei; auch könne jedenfalls die Durchführung von Maßnahmen, die Aufschub dulden, davon abhängig gemacht werden, dass die beschlossene Sonderumlage von allen Wohnungseigentümern gezahlt werde. Bei einem Darlehen lasse sich das Risiko des Ausfalls einzelner Wohnungseigentümer dagegen nur sehr begrenzt abschätzen. Zuverlässige Prognosen über die Bonität der Wohnungseigentümer seien schon wegen der meist langen Laufzeit des Darlehens nicht möglich; darüber hinaus müsse stets damit gerechnet werden, dass es zu Eigentümerwechseln in dieser Zeit komme. Angesichts dieses Haftungsrisikos sei bei der Entscheidung über die Finanzierung einer Maßnahme durch ein hohes langfristiges Darlehen Zurückhaltung geboten.
  3. Ob ein Darlehensbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche, lasse sich nur nach sorgfältiger Abwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der allseitigen Interessen der betroffenen Wohnungseigentümer feststellen. Dabei seien insbesondere folgende Gesichtspunkte von Bedeutung: Es komme wesentlich auf den Zweck des Darlehens an, wobei in erster Linie an Instandhaltungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen zu denken sei; je dringlicher eine Maßnahme sei, desto eher träten andere Nachteile einer Finanzierung durch Darlehen bei der Abwägung zurück. Von Bedeutung sei ferner die Möglichkeit, die notwendigen Mittel durch Rückgriff auf die Instandhaltungsrücklage und Erhebung einer Sonderumlage aufzubringen. In diesem Zusammenhang seien den mit einer Darlehensaufnahme einhergehenden Belastungen und Risiken die Vor- und Nachteile einer Finanzierung der Maßnahme mittels Sonderumlage gegenüber zu stellen; eine Darlehensfinanzierung werde insbesondere in Betracht kommen, wenn die Erhebung einer Sonderumlage die einzelnen Wohnungseigentümer finanziell stark belastete oder gar die Leistungsfähigkeit einkommensschwächerer Wohnungseigentümer überfordere. Relevant seien zudem die Höhe des Darlehensbetrages im Verhältnis zu der Anzahl der Wohnungseigentümer, die Kreditkonditionen, die Laufzeit des Darlehens und die Rückzahlungsbedingungen. Eine mehrheitlich beschlossene Kreditaufnahme müsse allerdings nicht zwingend eine Option für die Eigentümer enthalten, die Finanzierung selbst zu übernehmen und den auf sie entfallenden Kreditanteil als Sonderumlage zur Reduzierung des Darlehensbetrags einzuzahlen.
  4. Auch die Beschlussfassung müsse "gewissen Anforderungen" genügen. Der Beschluss müsse Angaben über die zu finanzierende Maßnahme, die Höhe des Darlehens, dessen Laufzeit, die Höhe des Zinssatzes bzw. des nicht zu überschreitenden Zinssatzes enthalten und erkennen lassen, ob die Tilgungsraten so angelegt seien, dass der Kredit am Ende der Laufzeit getilgt ist. Ferner müsse vor der Beschlussfassung wegen des in die Zukunft verlagerten Risikos der Zahlungsunfähigkeit einzelner Wohnungseigentümer die im Innenverhältnis bestehende Nachschusspflicht der Wohnungseigentümer...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge