Mit dem seit 1. Januar 2018 in Kraft getretenen "Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung" hat der Gesetzgeber das bereits bislang gesetzlich geregelte Institut der fiktiven Abnahme modifiziert. Die entsprechende Bestimmung des § 640 Abs. 2 BGB gilt für alle Werkverträge, die ab dem 1. Januar 2018 geschlossen werden.

3.6.1 Rechtslage für Verträge vor dem 1. Januar 2018

Wurde der Werkvertrag vor dem 1. Januar 2018 geschlossen, ist § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB a. F. mit folgendem Wortlaut maßgeblich: "Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist."

Voraussetzung der fiktiven Abnahme ist also, dass der Unternehmer dem Besteller nicht nur mitgeteilt hat, seine Bauleistung sei fertiggestellt, sondern diesen auch ausdrücklich zu Abnahme auffordert und seitens des Bestellers dennoch keine Abnahme erfolgt.

Nachfolgende Voraussetzungen müssen demnach erfüllt sein:

  • Zunächst muss das Werk überhaupt abnahmefähig und abnahmereif sein. Ansonsten trifft den Besteller bereits keine Verpflichtung zur Abnahme. Eine fiktive Abnahme kommt also von vornherein nicht in Frage, wenn das Werk wesentliche Mängel aufweist.
  • Der Unternehmer muss eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt haben.

    Wie der Unternehmer diese Frist setzt, ist im Gesetz nicht geregelt. Schriftform ist für die Fristsetzung nicht erforderlich. Freilich muss der Unternehmer im Streitfall beweisen, dass er eine Frist gesetzt hat.

    Die Frist muss angemessen sein. Das ist sie dann, wenn der Besteller die Werkleistung nach ihrer konkreten Beschaffenheit unter gewöhnlichen Verhältnissen abnehmen kann. Allgemein wird insoweit in Anlehnung an die Bestimmung des § 12 Abs. 5 VOB/B eine Frist von 12 Werktagen als angemessen erachtet. Hat der Unternehmer eine kürzere Frist gesetzt, schadet ihm dies nicht, da dann die angemessene Frist von 12 Werktagen gilt.

     
    Hinweis

    Letztlich 2-Wochen-Frist

    Da § 12 Abs. 5 VOB/B auf Werktage abstellt und der Samstag als ein solcher gilt, der Sonntag aber nicht, entsprechen 12 Werktage letztlich 2 Wochen.

    Verweigert der Besteller ernsthaft und endgültig die Abnahme, soll eine Fristsetzung entbehrlich sein.[1] Allerdings ist dies nicht ganz unumstritten, weshalb auch im Fall endgültiger Abnahmeverweigerung eine Frist gesetzt werden sollte. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass der BGH hier seine Meinung ändern wird.

  • Die Frist muss ergebnislos abgelaufen sein

    Entweder die vom Unternehmer zur Abnahme gesetzte oder die im Übrigen angemessene Frist von 12 Werktagen muss ergebnislos abgelaufen sein. Hat der Besteller die Frist unverschuldet, etwa wegen Erkrankung nicht eingehalten, ist dies unbeachtlich. Auch eine unverschuldete Fristversäumnis hat die fiktive Abnahme zur Folge.

 
Hinweis

Keine Auswirkung auf Mängelrechte

Tritt die Fiktionswirkung ein, hat dies keine Auswirkungen auf die Mängelrechte des Bestellers. So im Fall fiktiver Abnahme Mängel vorhanden sind, die der Besteller kennt, findet nämlich § 640 Abs. 2 BGB keine Anwendung. Dieser regelt, dass dem Besteller, der das Werk trotz Mangelhaftigkeit abgenommen hat, seine Mängelrechte nur dann zustehen, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält.[2] Diese Bestimmung findet aber nur bei der rechtsgeschäftlichen Abnahme Anwendung, nicht jedoch bei der fiktiven Abnahme.

3.6.2 Rechtslage für Verträge ab dem 1. Januar 2018

Die Regelung des § 640 Abs. 2 BGB hat in seiner seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung zunächst folgenden Wortlaut: "Als abgenommen gilt ein Werk auch, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Ist der Besteller ein Verbraucher, so treten die Rechtsfolgen des Satzes 1 nur dann ein, wenn der Unternehmer den Besteller zusammen mit der Aufforderung zur Abnahme auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme hingewiesen hat; der Hinweis hat in Textform zu erfolgen."

Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

  1. Das Werk muss fertiggestellt sein

    Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers[1] ist von einer Fertigstellung dann auszugehen, "wenn das Werk nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien als "fertig" anzusehen ist. Dies ist der Fall, wenn die im Vertrag genannten Leistungen abgearbeitet beziehungsweise erbracht sind – unabhängig davon, ob Mängel vorliegen oder nicht." Von einer Fertigstellung ist also letztlich dann auszugehen, wenn die Wohnanlage und die Sondereigentumseinheiten entsprechend der Baubeschreibung errichtet sind.

  2. Angemessene Fristsetzung

    Der Unternehmer muss den Erwerbern eine angemessene Frist zur Abnahme des Werks gesetzt haben. Die Angemessenheit der Frist dürfte wie bei den bis 31. Dezember 2017 abgeschlossenen Bauverträgen zu beurteilen sein. Insoweit dürfte...

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