Leitsatz

  • Der Abgabebeschluss des Prozessgerichts an das Wohnungseigentumsgericht ist neuerdings mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar

    Bei Begründung von Wohnungseigentum durch Teilungsvertrag nach § 3 WEG kann eine werdende/faktische Eigentümergemeinschaft grundsätzlich nicht entstehen

 

Normenkette

§ 3 WEG, § 10 WEG, § 43 Abs. 1 WEG, § 46 Abs. 1 WEG, § 36 Nr. 6 ZPO, § 329 Abs. 3 ZPO, § 516 ZPO, § 577 ZPO, § 17a GVG

 

Kommentar

1.  Bei einem Kompetenzkonflikt zwischen dem Prozessgericht (LG) und dem Wohnungseigentumsgericht (AG) des gleichen OLG-Bezirkes ist für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Nr. 6 ZPO in Bayern das BayObLG (hier auf Gesuch durch das AG, § 37 Abs. 1 ZPO) zur Entscheidung berufen. Das zuständige Gericht muss dann bestimmt werden, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Im vorliegenden Fall wurde sowohl die Entscheidung des LG als auch die des AG rechtskräftig.

2. Die Abgabeentscheidung des LG (Prozessgericht) an das WEG-Amtsgericht gemäß § 46 WEG ist seit 1. 1. 91 nicht mehr unanfechtbar. Auf das Verhältnis von Prozessgericht und Wohnungseigentumsgericht ist nunmehr § 17 a GVG in der Neufassung durch das am 1. 1. 1991 in Kraft getretene 4. Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung - 4. VwGOÄndG - vom 17. 12. 1990 (BGBl I S. 2809) entsprechend anzuwenden. Demzufolge war nach § 17 a Abs. 4 S. 3 GVG gegen den Abgabebeschluss des LG die sofortige Beschwerde nach § 577 ZPO gegeben. Der Abgabebeschluss hätte deshalb nach § 329 Abs. 3 ZPO den Parteien förmlich zugestellt werden müssen. Die formlose Mitteilung des Beschlusses hat die Frist zur sofortigen Beschwerde nach § 577 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht in Gang gesetzt. Es entspricht aber einer allgemein anerkannten Rechtsansicht, dass berufungsrechtliche Verfahrensbestimmungen auch für das Rechtsmittel der Beschwerde, soweit deren Besonderheiten nicht entgegenstehen, entsprechende Anwendung finden. So wird § 516 ZPO, wonach die Berufungsfrist spätestens mit dem Ablauf von 5 Monaten nach der Verkündung des Urteils beginnt, nach ganz überwiegender Ansicht auch auf verkündete Beschlüsse entsprechend angewendet. Es sind keine Gründe zu erkennen, § 516 ZPO nicht auch dann entsprechend anzuwenden, wenn der mit der sofortigen Beschwerde anfechtbare Beschluss zwar nicht verkündet, aber formlos mitgeteilt und damit existent geworden ist. Im vorliegenden Fall ist Rechtskraft des Beschlusses auch unter Berücksichtigung der 5-Monatsfrist des § 516 ZPO eingetreten. Der Beschluss des AG, mit dem es sich für unzuständig erklärt hat, war nach § 45 Abs. 1 WEG anfechtbar, ohne dass innerhalb der 2-Wochen-Beschwerdefrist Rechtsmittel eingelegt wurden.

3. Als zuständiges Gericht war hier das LG (Prozessgericht) zu bestimmen. Zwar ist ein Abgabebeschluss gemäß § 46 Abs. 1 S. 3 WEG grundsätzlich bindend, wenn auch erst mit Eintritt der formellen Rechtskraft. Im vorliegenden Fall kommt dem Beschluss aber deshalb keine Bindungswirkung zu, weil das LG jedenfalls nicht allen Beklagten zur Frage der Abgabe rechtliches Gehör gewährt hat. Insoweit entfällt nach ständiger Rechtsprechung die Bindungswirkung eines Verweisungs- oder Abgabebeschlusses, wenn er auf Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber einer der Verfahrensparteien beruht (vor Bekanntgabe des Beschlusses).

4. Eine werdende/faktische Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. hierzu BayObLG, Entscheidung vom 11. 4. 1990, Az.: BReg 2 Z 7/90, BayObLG Z 1990, 101/103ff.) entsteht grundsätzlich nur bei einer Teilung des Grundstücks nach § 8 WEG durch den Alleineigentümer, weil bei diesem Teilungsverfahren die Erwerber in der Regel nicht sogleich als Wohnungseigentümer im Grundbuch eingetragen, sondern nur durch Auflassungsvormerkung gesichert werden. Anders ist dies bei einer Begründung von Wohnungseigentum durch Miteigentümer in Form eines Begründungsvertrages nach § 3 WEG. Hier werden nach Vorlage des Teilungsvertrages an das Grundbuchamt in Verbindung mit einem Eintragungsantrag sämtliche Miteigentümer sogleich als Wohnungseigentümer ins Grundbuch eingetragen. In diesem Fall ist für eine werdende Eigentümergemeinschaft grundsätzlich kein Raum. Im Übrigen lag im vorliegenden Fall noch nicht einmal ein Teilungsvertrag nach § 3 WEG vor.

Die Prozessparteien bilden deshalb als Bauherren eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft nach § 705ff. BGB und als Grundstücksmiteigentümer eine Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741ff. BGB. Für Streitigkeiten ist hier insoweit das Prozessgericht zuständig.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 23.01.1992, AR 2 Z 110/91)

zu Gruppe 7: Gerichtliches Verfahren

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