Leitsatz

Wird eine in einem Sozietätsvertrag zugunsten altersbedingt ausscheidender Partner vorgesehene Versorgungsregelung undurchführbar, weil die aktiven Partner die Praxis veräußert haben, kann im Rahmen der erforderlichen beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung den in der Vergangenheit ausgeschiedenen Partnern unter Umständen ein Anspruch auf Abfindung nach dem Wert ihrer Beteiligung zum Zeitpunkt des Ausscheidens zuzuerkennen sein.

 

Sachverhalt

Der Kläger und die Beklagten waren in einer Sozietät von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten verbunden. Der Sozietätsvertrag sieht vor, dass ein Partner mit Vollendung des 65. Lebensjahrs aus der Sozietät ausscheidet. Laut Vertrag haben ehemalige Partner und ihre Hinterbliebenen einen Anspruch auf Altersversorgung, dessen Höhe sich nach der Dauer der Sozietätszugehörigkeit und dem im jeweiligen Kalenderjahr von den aktiven Partnern erwirtschafteten Gewinn richtet. Mit Erreichen des 65. Lebensjahrs schied der Kläger nach 28 Jahren tätiger Mitarbeit 1995 aus der Sozietät aus. Während der Folgejahre erhielt er zunächst die vertraglich vereinbarte Altersversorgung. Im Dezember 1998 veräußerten die Beklagten die Praxis aber für 46 Mio. DM an eine weltweit operierende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Die Beklagten stellten in der Folge ihre Zahlungen ein. Hiergegen wendet sich der Kläger. Das LG hatte ihm nur teilweise Recht gegeben. Der BGH hob diese Entscheidung auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung zurück.

 

Entscheidung

Der Sozietätsvertrag, aus dem der Kläger seine Ansprüche herleitet, ist lückenhaft. Denn er geht allein von dem Fall aus, dass die Gesellschaft von den aktiven Sozien weiter betrieben wird, regelt aber nicht den Fall, dass diese die Praxis veräußern. Die damit vorhandene planwidrige Lücke ist auf dem Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen. Dabei ist darauf abzustellen, welche Vereinbarung die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben getroffen hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten[1].

Die Parteien hätten verständigerweise für den Fall einer Praxisveräußerung Sorge getragen, dass altersbedingt ausgeschiedenen Sozien ein angemessener Ausgleich für den durch die Praxisveräußerung bedingten Verlust ihrer Altersversorgung gewährt wird. Grundlage der danach zu treffenden ergänzenden Regelung hat – neben den ausdrücklich getroffenen Vertragsbestimmungen – das gesetzliche Modell der Behandlung eines aus einer Sozietät von Freiberuflern ausscheidenden Partners zu sein. Den Sozien steht prinzipiell eine nach dem Wert ihrer Beteiligung zu bemessende Abfindung zu[2]. Sie können aber – wie hier – auch Regelungen zu einer monatlich zu zahlenden Altersversorgung treffen. So können die Beteiligten einerseits sicherstellen, dass die in der Sozietät aktiven Partner nicht durch die Zahlung unerträglich hoher Abfindungsbeträge belastet werden. Auf der anderen Seite partizipieren ausscheidende – nicht mit dem "wahren" Wert ihrer Beteiligung abgefundene – Partner im Rahmen ihrer Altersversorgung weiter an dem von ihnen geschaffenen Praxiswert.

Beide Aspekte haben sich durch den Praxisverkauf erledigt. Es wäre dann aber nicht interessengerecht, wenn sich die Beklagten den auch von den früheren Partnern geschaffenen Wert der Sozietät unter Ersparnis der ihnen versprochenen Altersversorgung allein zu eigen machen dürften. Diesen Aspekt hat das LG nicht ausreichend bedacht.

 

Praxishinweis

Der BGH hält es für einen angemessenen Interessenausgleich, den Kläger entsprechend der allgemeinen Regelung des § 738 BGB nach dem Wert seiner Beteiligung im Zeitpunkt seines Ausscheidens abzufinden. Die Zahlung fiktiver Versorgungsbezüge oder deren Kapitalisierung ist nach Meinung der Richter nicht sachgerecht, weil nach Aufgabe der Geschäftstätigkeit keine tragfähige Berechnungsgrundlage zur Ermittlung der Altersversorgung mehr vorhanden ist. Insoweit muss das LG neu verhandeln und entscheiden.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Urteil vom 17.5.2004, II ZR 261/01

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