Rz. 10

In den letzten Jahrzehnten ist eine Verschärfung der Managerhaftung zu beobachten. Dies betrifft verstärkt, aber nicht ausschließlich, Unternehmen, die in die Krise geraten sind. So soll Deutschland bei Aktiengesellschaften nach den USA bei der Geltendmachung von Organhaftungsansprüchen auf Platz 2 rangieren, obwohl Deutschland bei der Anzahl der börsennotierten Gesellschaften erst auf Platz 17 liegt.[1] Teils werden die Existenz oder der Neuabschluss einer D&O-Versicherung zur Bedingung gemacht, bevor ein Aufsichtsratsmandat bzw. Vorstands- oder Geschäftsführeramt überhaupt übernommen wird. Auch die Deckungssummen und damit die Prämienvolumina steigen kontinuierlich. Angeboten werden sowohl kleine Deckungssummen, z.B. von nur 250.000 EUR, als auch, z.B. bei DAX-Unternehmen, Deckungssummen von bis zu 250 Mio. EUR bzw. bis zu 350 Mio. EUR. Die höheren Deckungssummen werden dann in Mitversicherung unter Beteiligung mehrerer Versicherer bzw. durch sog. Layerdeckungen zur Verfügung gestellt. Die Grundversicherungssumme, das heißt der Betrag, den der erste Versicherer ggf. gemeinsam mit einem oder mehreren anderen Versicherern zeichnet, beträgt 15 bis 25 Mio. EUR. Durch sog. Exzedenten bei weiteren Versicherern lassen sich dann die Deckungen von bis zu 250 bis 350 Mio. EUR versichern.[2]

 

Rz. 11

Bei einem harten Markt, von dem man bei einem unausgeglichenen Versicherungsmarkt im Sinne eines Unterangebots und ansteigenden Prämien spricht, das heißt bei sinkenden Kapazitäten und entsprechender Zurückhaltung der Versicherer, ist aber auch wieder ein Absenken der Versicherungssummen und eine Verschlechterung der Deckungskonzepte möglich. Dies ist eine Entwicklung, die sich im D&O-Markt ab 2020 abzeichnete. Nach der GDV-Statistik für 2020 wurden für D&O-Versicherungen Prämien in Höhe von 335 Mio. EUR (nach 262 Mio. EUR in 2019) eingenommen und Leistungen in Höhe von 281 Mio. EUR erbracht. Die Schadenquote betrug 110 %.[3] Der Großteil der Leistungen, nach Schätzungen über 90 %, flossen in die Abwehrdeckung, wurden also dafür aufgewandt, um die Ansprüche gegen die versicherten Personen abzuwehren, was in der Praxis häufig mit Erfolg geschieht. Andere schätzen die jährlichen Prämieneinnahmen der Versicherer auf ca. 400 bis 500 Mio. EUR. Durch die Prämiensteigerungen seit 2020 dürfte das Volumen ab 2021 deutlich höher liegen. Vergegenwärtigt man sich allerdings, dass sich Schadensfälle, die die Deckungssummen erreichen, nur in geringer Zahl ereignen müssen, um das gesamte Prämienvolumen eines Jahres aufzuzehren, kann ein defizitärer Betrieb der D&O-Sparte schnell eintreten. Allerdings erfolgt in den meisten Schadensfällen gerade keine Freistellung, sondern die Abwehr der geltend gemachten Ansprüche. Soweit dies nicht vollständig gelingt, wird nicht selten der Abschluss eines Vergleichs deutlich unterhalb der geltend gemachten Beträge angestrebt.

[1] Splinter, Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung S. 188.
[2] Bis zu welchen Deckungssummen darüber hinaus in Deutschland Organhaftungsansprüche versichert werden, ist nicht publiziert. Geschätzt wird, dass sich die höchsten Kapazitäten zwischen 500 Mio. EUR und 1 Mrd. EUR bewegen, siehe Splinter Aktienrechtliche Organhaftung und D&O-Versicherung S. 189.
[3] www.gdv.de/de/zahlen-und-fakten/versicherungsbereiche/directors-and-officers, nicht mehr einsehbar, ab 2021 finden sich keine Zahlen mehr zur D&O-Versicherung auf dem Internetauftritt des GDV.

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