Das Wichtigste in Kürze:

1. Nach § 244 Abs. 5 S. 2 kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines (im Ausland lebenden) Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken ist, aus den gleichen Gründen wie die Einnahme eines Augenscheins abgelehnt werden.
2. Die Grenzen für eine Ablehnung sind da zu ziehen, wo die Aufklärungspflicht des Gerichts die Vernehmung gebietet.
3. In dem die Ladung/Vernehmung ablehnenden Gerichtsbeschluss müssen die für die Ablehnung wesentlichen Gesichtspunkte, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch in ihrem tatsächlichen Kern, konkret mitgeteilt werden.
4. Die bestehenden Ablehnungsmöglichkeiten muss der Verteidiger bei der Formulierung seines ­Beweisantrags berücksichtigen.
5. Fraglich ist, welche Möglichkeiten dem Verteidiger zur Verfügung stehen, nach Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung eines Auslandszeugen gem. § 244 Abs. 5 S. 2 ggf. doch noch seine Vernehmung in der HV zu erreichen.
 

Rdn 483

 

Literaturhinweise:

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Fezer, Reduktion von Beweiserfordernissen – Systemverändernde Tendenzen in der tatrichterlichen Praxis und der Gesetzgebung, StV 1995, 266

Gerst, Der Zeuge auf Skype – Verteidigung mit Videotechnik, StraFo 2013, 103

ders., Der „Auslandszeuge“ gemäß § 244 Abs. 5 S. 2 StPO – eine Vorschrift auf dem Prüfstand der Jetztzeit; Gleß, § 247a StPO – (auch) eine Wohltat für den Angeklagten?, JR 2002, 97

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Goecke, Der Zeuge im Ausland – in Zukunft ein Beweismittel ohne Wert?, StraFo 1993, 72

Günther, Der Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen im Lichte des Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK, in: Festschrift für Gunter Widmaier, 2008, S. 253

Hartwig, Die Selbstladung von Auslandszeugen, StV 1996, 626

Herdegen, Da liegt der Hase im Pfeffer – Bemerkungen zur Reform des Beweisantragsrechts, NJW 1996, 26

Heß, Die Zustellung von Schriftstücken im europäischen Justizraum, NJW 2001, 15

Johnigk, Der Beweisantrag auf Vernehmung eines Auslandszeugen (§ 244 Abs. 5 S. 2 StPO), in: Festschrift für Peter Rieß, 2002, S. 197

Krapf, Audiovisuelle Zeugenvernehmung, Durchführungsmöglichkeiten und Tipps unter besonderer Berücksichtigung der Video-Vernehmung im Ausland, KR 2002, 309

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Norouzi, Die Audiovisuelle Vernehmung von Auslandszeugen, 2010

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Rademacher/Sell, Der Auslandszeuge im Strafprozess, ZAP F. 22, S. 529

Rose, Beweisanträge auf Vernehmung von Auslandszeugen: Entwicklung und Tendenzen der neueren Rechtsprechung, NStZ 2012, 18

Rieß, Das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege – ein Überblick, AnwBl. 1993, 51

Rose, Die Ladung von Auslandszeugen im Strafprozeß, wistra 1998, 11

ders., Auslandszeugen im Strafprozeß: Aktuelle Gesetzeslage und jüngere Rechtsprechung – zugleich eine Anmerkung zu BGH, Beschluß vom 7.6.2000 – 3 StR 559/99, wistra 2001, 290

Schomburg/Klip, "Entlastung der Rechtspflege" durch weniger Auslandszeugen, StV 1993, 208

Siegismund/Wickern, Das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege, wistra 1993, 81

Thörnich, Der Auslandszeuge im Strafprozess, 2020

s.a. die Hinw. bei → Aufklärungspflicht des Gerichts, Teil A Rdn 422.

 

Rdn 484

1. Durch das RPflEntlG von 1993 ist in den Katalog der Gründe, aus denen ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden kann, § 244 Abs. 5 S. 2 aufgenommen worden (zur Kritik an der gesetzlichen Regelung u.a. Fezer StV 1995, 263, 266; Goecke StraFo 1993, 72; Herdegen NJW 1996, 26, der von einer "tauben Nuss" spricht; Rademacher/Sell ZAP F. 22, S. 529; Gerst StV 2018, 755). Danach kann ein Beweisantrag auf Vernehmung eines (im Ausland lebenden) Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken ist, aus den gleichen Gründen wie die Einnahme eines Augenscheins abgelehnt werden. Es reicht also die Begründung, die Beweiserhebung sei nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich (§ 244 Abs. 5 S. 1), wobei aber das Gericht kein Ermessen im eigentlichen Sinn hat, sondern der Beweis zu erheben ist, wenn die → Aufklärungspflicht des Gerichts, Teil A Rdn 422, das erfordert (BGHSt 55, 11; NStZ 2004, 99 m.w.N.; 2009, 168; 2014, 531 m. Anm. Junker StRR 2014, 305; NStZ 2017, 96; StV 2011, 398; Beschl. v. 12.7.2018 – 3 StR 144/18; StV 2018, 780; StraFo 2010, 155; zu allem a. KK-Krehl, § 244 Rn 166 ff. m.w.N.; Rose NStZ 2012, 12; → Augenscheinseinnahme, Teil A Rdn 435). Ggf. muss das Gericht im → Freibeweisverfahren, Teil F Rdn 1930, ­klären, ob z.B. ein Zeuge etwas zur Sache beitragen kann und ob er ggf. bereit ist, unter Zusicherung von → freiem Geleit, Teil F Rdn 1936, auf das in der Ladung ggf. hinzuweisen ist (B...

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