Rz. 9

Soweit ersichtlich noch nicht höchstrichterlich geklärt ist die Behandlung von Wohnrechtszuwendungen und schuldrechtlichen Wohnungsüberlassungen an den Partner unter Lebenden. Jüngst hat der BFH den Verzicht auf ein dingliches Wohnrecht für einen schenkungsteuerbaren Tatbestand (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) gehalten.[30] Das Gericht stellt auf die mit dem dinglichen Wohnrecht verbundene Einschränkung der Eigentümerrechte ab.[31] Dies spricht dafür, dass auch die Einräumung des Wohnrechts steuerbar ist.

 

Rz. 10

Das FG Rheinland-Pfalz[32] hatte über ein Mitbenutzungsrecht zu entscheiden, das zugunsten der Lebensgefährtin bestellt worden war. Das Gericht verneinte eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, weil das Mitbenutzungsrecht auflösend bedingt durch die Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und zudem an den gemeinsam bewohnten Räumen eingeräumt wurde. Das FG München hat diese Ansicht in einem Fall bestätigt, in dem die Eigentümerin eines mit einem Zweifamilienhaus bebauten und von ihr und ihrem Lebensgefährten bewohnten Grundstücks diesem ein lebenslängliches unentgeltliches Mitbenutzungsrecht einräumte.[33] Das Mitbenutzungsrecht wurde durch eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit gesichert und war nicht durch eine etwaige Trennung der Partner auflösend bedingt.[34] Der Lebensgefährte war nicht verpflichtet, sich an den Kosten des Hauses zu beteiligen.[35]

 

Rz. 11

Gebel teilt diese Ansicht.[36] Gebrauchs- und Nutzungsüberlassungen können unabhängig davon, ob sie auf Dauer oder nur vorübergehend erfolgen, und ohne Rücksicht darauf, ob sie auf dinglicher Ebene (z.B. Nießbrauch, Wohnungsrecht, beschränkt persönliche Mitbenutzungsdienstbarkeit) oder bloß schuldrechtlich (z.B. Leihe oder verbilligte Miete[37]) stattfinden, der Erbschaftsteuer unterliegen.[38] Ein Schenkungsteuertatbestand ist jedoch zu verneinen, wenn der Eigentümer die Räume – die Einräumung der Mitbenutzung hinweggedacht – nicht zur entgeltlichen Fremdnutzung oder zur ausschließlichen Eigennutzung gebraucht hätte, weil es dann an einer Entreicherung fehlt.[39] Ein Vermögensverlust kann für den Überlassenden nur insoweit eintreten, als er von seinem Nutzungsrecht Gebrauch gemacht hat oder künftig machen wollte. Wer ein Gebäude leer stehen lässt und auch künftig weder vermieten noch selbst bewohnen will, erleidet dadurch, dass er es zeitweilig einem Dritten zu Wohnzwecken überlasst, keine Vermögenseinbuße.[40]

 

Rz. 12

Ein aufschiebend befristet durch das Vorversterben des Eigentümers und aufschiebend auf den Fortbestand der Partnerschaft bedingt bestelltes Mitbenutzungsrecht bzw. Nießbrauchsrecht qualifizierten das FG Rheinland-Pfalz und das FG München in ihren vorgenannten Entscheidungen dagegen als steuerbare Schenkung auf den Todesfall gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 ErbStG.[41]

[30] BFH v. 23.6.2010, II B 32/10, BeckRS 2010, 25016491. Zur zivilrechtlichen Lage, insbesondere bei (über–geleiteter) Rückforderung des Verzichts wegen Verarmung des Schenkenden vgl. BGH v. 17.4.2018, X ZR 65/17, BeckRS 2018, 19103; zur Qualifikation des unentgeltlichen Verzichts auf einen Nießbrauch als Schenkung i.S.d. § 1804 BGB vgl. OLG Frankfurt v. 15.5.2018, BeckRS 2018, 16584.
[31] In einem Urt. v. 19.7.2018, IX ZR 307/16, BeckRS 2018, 17542 = ZInsO 2018, 1641 = ZIP 2018, 1601, hat der BGH aus Sicht der Insolvenzanfechtung zu unentgeltlichen Nutzungsüberlassungen Stellung genommen. Überlässt der (Insolvenz-) Schuldner die Nutzung eines Grundstücks einem Dritten unentgeltlich, kann dies als unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO die Insolvenzanfechtung begründen, wenn er darauf verzichtet, eine Gegenleistung zu verlangen, obwohl dies nach den Umständen möglich und üblich wäre.
[36] Troll/Gebel/Jülicher/Gebel, ErbStG, § 7 Rn 28; ebenso Fumi, EFG 2006, 1264, 1265.
[37] Vgl. FG München v. 24.1.2007, 4 K 816/05, rkr., EFG 2007, 779: Der Eigentümer räumte seiner Lebensgefährtin vermächtnisweise das Recht zur verbilligten Miete auf die Dauer von zehn Jahren ein. Das FG München sah hierin einen steuerbaren Erwerb von Todes wegen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
[38] Troll/Gebel/Jülicher/Gebel, ErbStG, § 7 Rn 28 f. Vgl. BFH v. 12.7.1979, II R 26/78, BStBl 1979 II, 631 (zinsloses Darlehen). Anders im Einkommensteuerrecht (Besteuerung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus nach § 21 Abs. 2 EStG a.F.) BFH v. 29.11.1983, VIII R 184/83, BStBl 1984 II, 371: die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung sei keine Schenkung, sondern Leihe. Die Aussagen des vorgenannten BFH-Urt. v. 29.11.1983 dürften sich jedoch mit Auslaufen des letztmalig im Veranlagungszeitraum 1986 anzuwendenden Sondertatbestandes der §§ 21 Abs. 2 und 21a a.F. EStG erledigt haben und ...

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