Rz. 54

Kommt es zu einer Erledigung der Hauptsache in der Beschwerdeinstanz[144] oder nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung und Beschwerdeeinlegung,[145] so führt dies grundsätzlich zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels, weil eine Rechtsmittelbeschwer bzw. ein Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers nach Erledigung des Verfahrensgegenstandes nicht mehr gegeben ist.[146] Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit tritt eine Erledigung der Hauptsache ein, wenn der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, das eine Veränderung der Sach- und Rechtslage bewirkt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, da eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann.[147] Allerdings kann der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel sodann in zulässiger Weise auf den Kostenpunkt beschränken oder aber einen Antrag nach § 62 FamFG stellen. Nach dieser Norm hat das Beschwerdegericht auf – unverzichtbaren[148] – Antrag auszusprechen, dass der Beschwerdeführer durch die erstinstanzliche Entscheidung in seinen Rechten verletzt wurde. Die Frage der Rechtswidrigkeit des Eingriffs kann nur innerhalb des jeweiligen (ggf. einstweiligen Anordnungs-)Verfahrens geklärt werden; ein außerhalb dieses Verfahrens gestellter (isolierter) Feststellungsantrag ist unzulässig.[149] Für die Feststellung nach § 62 Abs. 1 FamFG ist kein Raum, wenn das Vorliegen des Rechtsfehlers noch vor Eintritt der Erledigung jedenfalls inzident festgestellt worden ist. Das ist auch dann zu bejahen, wenn das Beschwerdegericht einen Verfahrensfehler erkannt und geheilt hat.[150] Gleiches gilt, wenn das erstinstanzliche Gericht selbst eine zuvor ohne mündliche Erörterung erlassene einstweilige Anordnung aufhebt.[151] Der Anspruch auf ein faires Verfahren gebietet es, einen anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten im Fall der Erledigung der Hauptsache auf die Möglichkeit hinzuweisen, seinen Antrag gemäß § 62 FamFG auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsanordnung umzustellen, sofern erstinstanzlich ein schwerwiegender Grundrechtseingriff erfolgt war.[152]

Auch der Verfahrensbeistand hat "im Interesse des Kindes" ein Antragsrecht (vgl. § 158 Abs. 4 S. 5 FamFG). Dies hat der BGH zwar für den Verfahrenspfleger im Betreuungsverfahren verneint,[153] aber dort auf § 335 Abs. 2 FamFG abgestellt, der dem Verfahrenspfleger ein eigenes Beschwerderecht einräume, dessen Rechtssphäre aber nicht betroffen sei. § 158 Abs. 4 S. 5 FamFG ist demgegenüber wie § 335 Abs. 2 und § 429 Abs. 2 FamFG formuliert, wo Nahestehenden "im Interesse des Betroffenen" ein Beschwerderecht zugestanden wird. Dementsprechend hat der BGH für die dem Betroffenen im Freiheitsentziehungsverfahren nahestehenden Personen (§ 429 Abs. 2 FamFG) die Antragsbefugnis nach § 62 Abs. 1 FamFG bejaht. Dann kann für den Verfahrensbeistand nichts anderes gelten.

Hingegen sind die Eltern des Kindes nach Ablauf der von einer gerichtlichen Genehmigung gedeckten geschlossenen Unterbringung des Kindes nicht berechtigt, im eigenen Namen einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit zu stellen. Denn § 62 FamFG setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut voraus, dass der "Beschwerdeführer" selbst durch die erledigte Maßnahme in seinen Rechten verletzt worden ist. Es bleibt daher dem jeweiligen gesetzlichen Vertreter des Kindes (den Eltern bzw. ggf. dem Vormund oder Pfleger) vorbehalten, im Namen des Kindes einen Antrag nach § 62 FamFG zu stellen.[154] Ist dem Elternteil daher das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge für das vormals untergebrachte Kind entzogen worden, so ist er nicht antragsberechtigt.[155]

 

Rz. 55

§ 62 Abs. 1 FamFG setzt voraus, dass der Betroffene an der Feststellung der Rechtsverletzung ein berechtigtes Interesse hat (§ 62 Abs. 1 FamFG), wovon nach § 62 Abs. 2 FamFG auszugehen ist, wenn

ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliegt oder
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.[156]
 

Rz. 56

Grundrechtseingriffe sind gerade in Kindschaftssachen naheliegend, etwa wenn durch die erstinstanzliche Entscheidung das Umgangsrecht eines Elternteiles ausgeschlossen wurde, aber auch, wenn erstinstanzlich eine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer hingenommen werden musste.[157] Die Feststellung bezieht sich hierbei auf die unmittelbare Beeinträchtigung durch einen Hoheitsakt, der nur vorübergehend wirkt und dem Betroffenen damit die Möglichkeit einer Anfechtung nimmt.[158] Schwerwiegende Grundrechtseingriffe sind im hier interessierenden Zusammenhang die Wohnungsdurchsuchung aufgrund richterlicher Anordnung,[159] Freiheitsentziehungen[160] – wie etwa die einstweilige geschlossene Unterbringung[161] oder die Einwilligung in eine Zwangsbehandlung[162] – und unter Umständen auch ein verfassungswidriger Eingriff in das Umgangsrecht, insbesondere, wenn sowohl die Gesamtdauer des Verfahrens als auch die Gesamtschau der gerichtlichen Möglichkeiten, das kindschaftsrechtliche Verfahren entsprechend der erforderlichen Sensibilität zu beschleunigen, nich...

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