Rz. 1

Die Rechtsstellung der Wohnungseigentümergemeinschaft ist mit dem durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz anstelle des § 10 WEG a.F. eingefügten § 9a WEG neu geregelt worden. Über die Reichweite der Gesetzesänderung und ihre Auswirkung auf die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten im Prozess wurde in der Literatur ausführlich diskutiert, wobei sowohl die Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung als auch ihre Aufgabe als Folgen der Gesetzesnovelle angeführt wurden.[1] Wie der BGH nunmehr dankenswerterweise klargestellt hat,[2] ändert sich durch die Neuregelung jedenfalls im Bereich der Geltendmachung von Mängelrechten tatsächlich nicht viel, sodass die zu der früheren Rechtslage durch die Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze in der Sache nach wie vor Geltung beanspruchen.

 

Rz. 2

Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist rechtsfähig. Sie kann Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden (§ 9a Abs. 1 S. 1 WEG). Die damit einhergehende materielle Rechtslage ist komplex und soll nachfolgend zusammenfassend skizziert werden.

 

Rz. 3

Die Erfüllungs- und Gewährleistungsrechte der Wohnungseigentümer ergeben sich aus ihren jeweiligen Erwerbsverträgen und nicht aus der Eigentümerstellung. Der Wohnungseigentümergemeinschaft stehen hingegen nur insoweit Mängelrechte zu, als sie selbst die entsprechenden Werkverträge (etwa über eine Sanierung des bestehenden Wohnungseigentums) geschlossen hat. Rechte, die sich auf die Erstellung des Wohnungseigentums beziehen, stehen ausschließlich den einzelnen Erwerbern zu.

 

Rz. 4

Was die Verfolgung dieser Rechte angeht, ist zu differenzieren:

 

Rz. 5

Betrifft ein Mangel nur das Sondereigentum, ist ausschließlich der jeweilige Erwerber befugt, die mit diesem Mangel verbundenen Rechte zu verfolgen.

 

Rz. 6

Betrifft ein Mangel dagegen das Gemeinschaftseigentum (ggf. auch zusammen mit dem Sondereigentum), wird traditionell zwischen der "geborenen" und der "gekorenen" Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft unterschieden.

 

Rz. 7

Die geborene Ausübungsbefugnis betrifft solche Rechte der Erwerber, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern (§ 9a Abs. 2 Fall 2 WEG). Erforderlich ist die einheitliche Rechtsverfolgung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft, wenn schutzwürdige Belange der Eigentümer oder des Schuldners an einer einheitlichen Rechtsverfolgung das grundsätzlich vorrangige Interesse des Eigentümers, seine Rechte selbst und eigenverantwortlich auszuüben und prozessual durchzusetzen, deutlich überwiegen.[3] Solche Rechte sind Minderung und der sog. kleine Schadensersatz, deren Durchsetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft allein zusteht. Der einzelne Wohnungseigentümer kann diese Rechte nur selbstständig verfolgen, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft ihn dazu ermächtigt. Die Ausübungsbefugnis erfasst auch die diesen Rechten vorausgehende Fristsetzung zur Nacherfüllung.

 

Rz. 8

Die gekorene Ausübungsbefugnis betrifft die Ansprüche auf Erfüllung, Nacherfüllung, Aufwendungserstattung gem. §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 BGB sowie Kostenvorschuss gem. §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB. Diese Ansprüche können grundsätzlich vom Erwerber selbstständig und eigenverantwortlich geltend gemacht und durchgesetzt werden. Dabei stehen die Ansprüche den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft als Mitgläubigern gem. § 432 BGB zu.[4] Die Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft auch unter der Geltung des neuen § 9a Abs. 2 WEG die Ausübungsbefugnis für diese Rechte durch einen Mehrheitsbeschluss an sich ziehen und damit die Rechte "vergemeinschaften" kann, wurde vom BGH bejaht.[5] Fasst die Wohnungseigentümergemeinschaft einen Vergemeinschaftungsbeschluss, können die einzelnen Eigentümer die genannten Rechte nicht mehr selbst geltend machen. Der Beschluss ist bereits zur Schaffung der Anspruchsvoraussetzungen erforderlich, also für das Setzen der Nacherfüllungsfrist oder die Wahl zwischen Schadensersatz und Minderung. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann sich grundsätzlich dabei auch auf die Fristsetzung durch einen einzelnen Eigentümer berufen,[6] es sei denn die Fristsetzung kollidiert mit den Interessen der Gemeinschaft.[7]

 

Rz. 9

Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann die Gewährleistungsansprüche auch dann an sich ziehen, wenn der Veräußerer gegenüber den einzelnen Erwerbern Verjährung einwenden kann. Es genügt, dass die Ansprüche auch nur eines einzigen Erwerbers nicht verjährt sind.[8]

 

Rz. 10

Schließlich steht die Geltendmachung solcher Individualrechte wie dem Rücktritt und dem großen Schadensersatz sowie der diese Rechte vorbereitenden Fristsetzung zur Mängelbeseitigung ausschließlich den einzelnen Erwerbern zu. Auch das Recht zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums steht dem einzelnen Erwerber zu.[9]

[1] Vgl. zum Stand der Diskussion BGH v. 11.11.2022 – V ZR 213/2 – MDR 2023, 156, Rn 27 ff.
[2] BGH, a.a.O.
[4] Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendi...

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