Rz. 101

Die Berufung kann gem. § 513 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung i.S.d. § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. An diesen grundsätzlichen Vorgaben muss sich die Berufungsbegründung orientieren. Die Berufungsbegründung muss diesem Prüfungsumfang des Berufungsberichts gerecht werden und insbesondere dann, wenn neue Tatsachen eingeführt werden sollen, die Zulassung des neuen Vortrages gem. § 531 ZPO begründen.

 

Rz. 102

Die Berufungsbegründung muss erkennen lassen, in welchem Umfang und mit welchem Antrag die erstinstanzliche Entscheidung angegriffen wird. Dies bedarf einer auf den Streitfall eingehenden Darlegung, in welchen Punkten und aus welchen Gründen der Berufungsführer das angefochtene Urteil für falsch hält. Eine Berufung ist als nicht hinreichend begründet – und damit als unzulässig – anzusehen, wenn lediglich die Gründe des angefochtenen Urteils wiederholt und als "unzutreffend" bezeichnet werden, oder wenn die Nichteinholung eines beantragten Sachverständigengutachtens gerügt wird, ohne sich mit der Begründung zu befassen, die in dem Urteil hierzu niedergelegt ist.[136] Ebenso wenig genügen formelhafte Wendungen oder der pauschale Hinweis auf den erstinstanzlichen Sachvortrag.[137] Die Berufungsbegründung muss sich mit jedem selbstständigen Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung auseinandersetzen, soweit er angegriffen wird.[138] Dies gilt nur dann nicht, wenn die Berufung ausschließlich auf neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel gestützt wird.[139] Da das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), muss die Berufung, die den festgestellten Sachverhalt angreifen will, eine Begründung dahingehend enthalten, warum die Bindung an die festgestellten Tatsachen ausnahmsweise nicht bestehen soll. § 520 Abs. 3 Nr. 3 und 4 ZPO regeln diese Anforderungen näher. Nach § 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO muss der Berufungsführer konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Nach § 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO muss er, wenn er neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen will, dartun, warum er diese nicht bereits in erster Instanz geltend gemacht hat. Stützt sich die erstinstanzliche Entscheidung auf mehrere gleichwertige Gründe, muss die Berufung sich mit allen auseinandersetzen.[140] Das bedeutet für den Bauprozess insbesondere in sog. Punktesachen einen erheblichen Aufwand. Macht der Bauherr Ansprüche wegen verschiedener Mängel geltend, muss er, wenn er die abgewiesenen Ansprüche mit der Berufung weiterverfolgen will, sich mit jedem Mangel bzw. jedem Mangelanspruch auseinandersetzen und die Unrichtigkeit der Entscheidung der ersten Instanz begründen. Entsprechendes gilt für den Unternehmer, der sich mit der Berufung gegen die Zuerkennung von Ansprüchen wegen verschiedener Mängel wendet. Bloße Hinweise auf Sachverständigengutachten reichen dafür nicht aus, weil dies allein die Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht darlegt. Ausreichend für die Zulässigkeit der Berufung ist indes, dass ihre Begründung geeignet ist, das gesamte angefochtene Urteil infrage zu stellen. Enthält daher das angefochtene Urteil bei einer Verurteilung des Unternehmers wegen Baumängeln tragende Ausführungen zum Bestehen des Mangels und zu den weiteren Voraussetzungen des Mangelbeseitigungsanspruchs (etwa Fristsetzung zur Nacherfüllung), ist die Berufung bereits dann zulässig, wenn sie sich nur mit einer dieser Fragen auseinandersetzt, die Klage aber, bei Unterstellung der Sichtweise des Beklagten, insgesamt abzuweisen wäre. Wird ein einheitlicher prozessualer Anspruch unter Verneinung mehrerer Anspruchsgrundlagen abgelehnt, reichen demgemäß für die Zulässigkeit der Berufung Ausführungen zu einer Anspruchsgrundlage.

 

Rz. 103

Der Berufungsführer muss sich wegen der Bindung des Berufungsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen der ersten Instanz (§ 529 Abs. 1 ZPO) eingehend damit auseinandersetzen, inwieweit die Tatsachenfeststellung des Erstgerichts angegriffen werden kann. Diese Bindung entfällt nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen. Dies ist von Amts wegen zu prüfen, wobei der gesamte zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewordene Akteninhalt zu berücksichtigen ist.[141] Auf eine darauf bezogene Berufungsrüge kommt es für die vorzunehmende Prüfung nicht an.[142] Gleichwohl ist der Anwalt angehalten, die entsprechenden konkreten Anhaltspunkte aufzuzeigen, um das Risiko einer Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zu minimieren.[143] Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich aus Verfahrensfehlern erg...

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