A. Begriff und Arten der Obliegenheiten nach ARB 2010

I. Die Entwicklung der ARB

1. Die Entwicklung der ARB

 

Rz. 1

Die ARB sind in den zurückliegenden Jahren häufig neu gefasst worden, insbesondere seit der Liberalisierung des Versicherungsmarktes. Es kann davon ausgegangen werden, dass die ARB 75 in der Praxis kaum noch eine Rolle spielen. Es folgten die Bedingungen ARB 94/2000 sowie die ARB 2008. Diese wurden aktualisiert und fortentwickelt durch neue ARB, zuletzt ARB 2010 und ARB 2012 (siehe hierzu § 23 Rn 1 ff.).[1]

[1] Vgl. auch Bauer, Rechtsentwicklung bei den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung bis Anfang 2010, NJW 2010, 1337.

2. ARB 2010

a) Die Regelungen im VVG zu Obliegenheiten

 

Rz. 2

Die "Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung" (ARB 2010), GDV-Musterbedingungen liegen vor.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Neufassung des VVG vom 23.11.2007[2] auch das Recht der Rechtsschutzversicherung berührt. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Obliegenheiten, und zwar Inhalt und Verletzungsfolgen. Die Regelung in § 6 VVG a.F. ist nunmehr ersetzt durch § 28 VVG. Insbesondere ist hinzuweisen auf den Fortfall des "Alles-oder-nichts-Prinzips" sowie die im Einzelnen geregelten Sanktionsfolgen bei Obliegenheitsverletzung sowie die hierzu gegebenen Beweisregeln.

In einem Hinweis auf der Terminladung des BGH – IV ZR 352/07 bringt dieser die Ansicht zum Ausdruck, dass die Kostenminderungsobliegenheit unwirksam ist, da sie gegen das Leitbild der §§ 28, 82 VVG verstoße und deshalb auch gemäß § 307 BGB unwirksam sei. Nach dieser Rechtsprechung des BGH ist die Kostenminderungsobliegenheit des § 17 Abs. 5c) cc) ARB 2000 unwirksam.[3]

[2] BGBl I, S. 2631.
[3] Vgl. hierzu ausführlich Bauer, Obliegenheiten des Versicherungsnehmers in der Rechtsschutzversicherung, NJW 2011, 646; vgl. auch Cornelius-Winkler, Zur Neufassung der Obliegenheiten nach Eintritt eines Versicherungsfalls in den ARB 2010, r+s 2011, 141.

b) Die Geltung der Neufassung des VVG

 

Rz. 3

Die Neufassung des VVG ist am 1.1.2008 in Kraft getreten (Art. 1 Abs. 1 EGVVG). Für die Anwendung der neuen Regelung und der bisherigen Regelung im VVG a.F. gilt, dass für die ab 1.1.2008 abgeschlossenen Rechtsschutzverträge uneingeschränkt das neue Recht anzuwenden ist. Auf Verträge, die bis einschließlich zum 31.12.2007 abgeschlossen wurden (sog. Altverträge) ist die Neufassung des VVG anzuwenden.

Bei einem Versicherungsfall, der bis zum 31.12.2008 (einschließlich) eingetreten ist, sind die neuen Regelungen nicht zwingend, auch wenn die Abwicklung des Versicherungsfalls sich in das Jahr 2009 und darüber hinaus erstreckt. Für Versicherungsfälle, die ab dem 1.1.2009 eintreten, gilt zwingend die Regelung des neuen VVG. Es ist also für die Praxis wichtig, mit den neuen gesetzlichen Regelungen sowie den Regelungen zu Obliegenheiten in den ARB vertraut zu sein.

3. Nachfolgende Kommentierung zu den ARB zu Obliegenheiten

 

Rz. 4

Die Regelung zu den Obliegenheiten ist ein wichtiger Bereich der ARB, weil in diesen Regelungen Einzelheiten zum gebotenen Verhalten des Versicherungsnehmers enthalten sind.

Gegenüber den vorangegangenen ARB 94/2000 bzw. 2008 sind nunmehr die Regelungen zu den Obliegenheiten in § 17 ARB 2010 in wesentlichen Teilen geändert, insbesondere hinsichtlich der Obliegenheit zur Kostenminderung.

II. Begriff und Inhalt

1. Vorbemerkungen

 

Rz. 5

Die nachfolgenden Ausführungen behandeln die Regelungen zu den Obliegenheiten, und zwar orientiert an den diesbezüglichen Ausführungen in der Vorauflage (§ 9), ergänzt um zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung. Ausführungen zu ARB 75 wurden fortgelassen, da diese ARB in der Praxis kaum noch Bedeutung haben.

Insbesondere aber werden Ausführungen zu den Obliegenheiten ergänzt zu der diesbezüglichen Neuregelung im VVG sowie in den ARB 2010.

Die Regelung in § 17 Abs. 6 ARB 2010, wie auch schon § 17 Abs. 6 ARB 2008, beinhaltet eine Änderung zu Obliegenheiten und Rechtsfolgen der Verletzung der Obliegenheiten entsprechend den Regelungen im VVG n.F.

2. Obliegenheiten als Verhaltensregeln

a) Die Regelung zur Obliegenheit, Verletzung und Verletzungsfolgen im VVG

 

Rz. 6

Das bisher in § 6 VVG a.F. geregelte System der Verletzung von vertraglich vereinbarten Obliegenheiten ist nunmehr in § 28 VVG geregelt.

Die bisher in § 6 VVG a.F. geregelte Unterscheidung zwischen Obliegenheiten vor dem Versicherungsfall (§ 6 Abs. 1 und 2 VVG a.F.) und solchen nach dem Versicherungsfall (§ 6 Abs. 2 VVG a.F.) ist entfallen.

Die Regelung des § 28 VVG enthält die Sanktionsmöglichkeiten des Versicherers, also Kündigung und Leistungsfreiheit. Insbesondere enthält sie die Sanktionslosigkeit einfacher Fahrlässigkeit unter Aufgabe des sog. "Alles-oder-nichts-Prinzips". Bei grober Fahrlässigkeit gelten neue Grundsätze der Vertragsverletzung. Bei Vorsatz, den der Versicherer beweisen muss, bleibt das "Alles-oder-nichts-Prinzip" teilweise erhalten. Es tritt volle Leistungsfreiheit ein, wenn die Obliegenheitsverletzung nicht folgenlos war. Bei folgenloser Obliegenheitsverletzung bleibt der Versicherer grundsätzlich zur Leistung verpflichtet, solange nicht Arglist des Versicherungsnehmers zur Leistungsfreiheit führt.

 

Rz. 7

Die bisherige Differenzierung zwischen Obliegenheitsverletzung vor und nach dem Versicherungsfall ist nur noch für das Kündigungsrecht des Versicherers bedeutsam. Für die Frage der Leistungsfreiheit des Versicherers ist die...

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